Richard Friedenthal: Martin Luther – Sein Leben und seine Zeit

In meinem Bücherregal stehen fünf verschiedene Biographien über Martin Luther. Obwohl ich nicht alle vollständig gelesen habe, gefällt mir keine mehr als die von Richard Friedenthal.

Ich glaube, heute neigt man dazu, an Luther vor allem seine Fehler zu sehen, allen voran seinem Antisemitismus, der in der Tat abscheulich war. Oder seinem harten Verhalten gegenüber den Widertäufern, die ja, so will es mancher wissen, die Glaubensvorfahren der Baptisten waren. Doch wie viel Positives man im Leben eines Thomas Müntzers finden kann, will auch keiner aufzählen. Andere vermeintlich positive Stimmen sehen einen Rebell, oder einen Frauenrechtler, den Gründer des Kapitalismus und der “schnellen” Presse.

Als ob dies alles erste Anliegen Luthers wären. Luther als Person darzustellen gelingt Friedenthal sehr gut, der als Jude einen eher entfernten Blickwinkel einnimmt, jedoch viel Sympathie für Luther aufzeigt, ohne ihn zu vergöttern. Besonders gelingt Friedenthal die Darstellung seiner Zeit. Sehr ausführlich und sauber recherchiert sind unterschiedliche Lebensstationen des Reformators und der damals dominierende Zeitgeist. Ablass, Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft, die Zersplitterung Deutschlands in kleinste Bezirke, Streitigkeiten zwischen Scholastikern und Humanisten, all das wird sauber dargestellt. Auch auf verschiedene Widersacher Luthers geht der Autor ausführlich ein. Schließlich überzeugt das Werk auch durch seine lebendige und frische Ausdrucksweise, doch überzeugt euch selbst:

Luthers frühe Schriften sind immer vulkanisch. Sie haben eine sanfte Kruste mit grün bewachsenen Abhängen der sicherlich ehrlich gemeinten Beteuerungen seiner Treue zur Kirche, darunter glüht die Lava, jeden Augenblick bereit, auszubrechen. Ahnungslos liefert er den Dominikanern Holz für ihren Scheiterhaufen, der vorläufig noch recht wenig und ziemlich nasses Reisig enthielt. Bisher hatte er sich auf lateinisch geäußert, in “Ansichten”, über die debattiert werden sollte. Jetzt schrieb er mit einem Male deutsch, einen Sermon “über Ablass und Gnade”. Dieses Heftlein hat eigentlich erst die ganz weite Wirkung erzielt. über zwanzig verschiedene Ausgaben sind gezählt worden, eine völlig unwahrscheinliche Auflagenhöhe, wenn man bedenkt, wie wenig Menschen lesen konnten, wie mühsam der Buchhandel noch in hölzerne Tonnen zu Pferd oder auf Rollwagen seine Produkte von Ort zu Ort transportieren musste, obendrein ständig bedroht von örtlicher Zensur oder Steuer- und Stapelrechten. Luther hat übrigens weder für diese Schrift noch je für ein anderes seiner Werke ein Honorar erhalten. Er bekam als Mönch auch kein Gehalt als Professor; der Orden hatte ihn dem Kurfürsten geliehen. Und bescheiden musste er sogar verschiedene Male darum bitten, die ihm versprochene neue Kutte doch zu gewähren; der kurfürstliche Rat Pfeffinger verhinderte diese überflüssige Ausgabe immer wieder, bis Luthers Gönner bei Hofe sich ins Zeug legten und ihm den schwarzen Rock zusenden ließen. Ein armseliges Mönchlein in der Tat, das da antrat zum Kampf gegen eine Weltmacht mit unbegrenzten Mitteln.

Lieber Blogleser, ich erlebe folgende Situation häufig: “Ich habe bei Luther/Spurgeon/MacDonald (frei ersetzbar) dies und das gelesen, was mir sehr gut gefallen, aber ich habe gehört, dass er auch nicht ganz treu/sauber/richtig (wieder frei ersetzbar) war”, sagt man mir. Wenn ich diese Geschwister dann frage, ob der Mensch, von dem sie dies hörten, denn treu/sauber/richtig (schon wieder frei ersetzbar) ist, meint man schnell, das spiele ja keine Rolle, und die “Leute würden dies ja nicht einfach so sagen”.

So viel Vertrauen habe ich zwar nicht, in das, was die “Leute so sagen”, denn wie bereits Kurt Tucholsky feststellte, wäre es gut, wenn der Mensch so selten zuhört, denn was Gescheites hört er ja doch selten. Doch selbst bei zuverlässigen Zeugen, würde ich mir doch nie die Gelegenheit entgehen lassen, mir selbst ein Bild zu machen.

Die 500-Jahr-Feier der Reformation kann ein guter Anlass sein, sich ein besseres Bild von Luther zu machen. Die vorgestellte Biographie ist eine gute Gelegenheit hierfür.

Das Buch ist zuletzt bei Piper erschienen und ist auch antiquarisch günstig zu erwerben.

4 Kommentare zu „Richard Friedenthal: Martin Luther – Sein Leben und seine Zeit“

  1. Hallo Sergej,

    danke für die Anregung.
    Ich werde versuchen mehr über Luther in Erfahrung zu bringen, um mir ein besseres Bild von ihm zu machen.
    Luther wird sehr oft schlecht dargestellt, sogar in den Predigten. So wird man schon unbewusst geprägt und beeinflusst.

    Ich denke, um Luther besser verstehen zu können, muss man sich in die Zeit hineindenken, in der er gelebt hatte. Er lebte in der völligen Dunkelheit und seine Erkenntnis kam allein durch das Bibellesen. Wycliff (Huss…) brachte schon etwas Licht in die Dunkelheit, die Luther noch mehr erhellte.

    Ich versuche wirklich schon seit geraumer Zeit die Vorurteile gegen Luther abzulegen, die einem schon als Kind ins Unterbewusstsein hineingelegt wurden, aber es ist ein harter Weg.

    Was ich wirklich überzeugt sagen kann: Luther war ein Mann Gottes.

    Gruss Aron

  2. Hallo Aron, danke für deinen Kommentar.

    Ich erkenne prinzipiell zwei Grundsätze zur Beurteilung des Werkes von Luther.
    Zum einen gibt es den Grundsatz, dass Gott über sein Werk und seine Arbeiter wacht. Das heißt, es ist nicht möglich dass ein falscher Arbeiter an seinem Werk arbeitet. Es gibt zwar wohl Fehler an den Arbeitern, es gibt auch wohl weniger gute Arbeiter, aber wenn es falsche Arbeiter sind, so können Sie niemals Gottes Arbeit vorantreiben. Zwar gibt es viele Arbeiter im Reiche Gottes, die keine wahren Arbeiter sind, aber Ihr Werk kann immer nur zerstörerisch sein. Das ist ja auch eine Warnung und Prüfung für uns, dass wir unsere Beweggründe prüfen. Andererseits kann keiner Umhin in der Reformation Gottes Werk zu erkennen.

    Der zweite Grundsatz ist weniger fundamental aber nicht weniger bedeutend, nämlich der, dass es nicht möglich wäre eine Auseinandersetzung über verschiedenste theologische Fragen mit Papst, Kirche und Humanisten zu führen, ohne dabei selber fundiert zu sein. Wir haben hier als Erbe z.B. die vier Solis der Reformation. Wie sehr werden diese auch von evangelikalen Kreisen heute angegriffen? Wie sehr kann ich alleine von diesen Sätzen lernen und im Glauben reifen.
    Es ist töricht zu denken, man könne ein miserabler Ausleger, ein schlechter Autor und ein mittelmäßiger Prediger sein, dann aber eine derartige “Revolte” gegen die Zeit vom Zaun reissen zu können. Deswegen ist es sehr oft sehr förderlich, Luthers Schriften zu lesen. Das er sich auch geirrt hat, sieht man an seiner Position zur Taufe, obwohl selbst diese Position Argumente hatte…

  3. Pingback: Der pöbelnde, rebellische, saufende und antisemitische Luther – Glauben und Denken

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