Erschreckend schnell schrumpfen unsere Freiheiten dahin. Wer das noch anzweifelt, der mag mal versuchen eine Stelleanzeige ohne das “d” beim Geschlecht zu veröffentlichen. Oder einen Ausweis ohne Fingerabdruck zu beantragen. Oder eine SIM-Karte für sein Handy ohne Ausweisprüfung zu installieren. Oder sein Kind einzuschulen ohne Prüfung des Impfbuchs. Oder eine Webseite ohne Seitenweise DSGV-Hinweise und Cookie-Popup zu betreiben. Oder zu sagen, dass “Homosexualität” Sünde sei. Oder Seelsorge für LGBT-Geschädigte anbieten. Oder, oder, oder…
Dabei sind alle genannten Punkte noch Anfang des Jahrhunderts kein Problem gewesen. Dieser noch schlummernde, aber doch nahezu allmächtige Drache der staatlichen Kontrolle und Überwachung beängstigt mich. Er schnaubt immer lauter. Was passiert wohl, wenn er zu seinem grausamen Zerstörungswerk aufwacht? Entsprechend griff ich zu Hannah Arendts Essay “Was heißt persönliche Verantwortung in einer Diktatur?”, um nicht nur in Erwartung von noch Schlimmeren handlungsunfähig zu werden, sondern auch Ruhe und nötige Gelassenheit zu finden. Ein Zitat dieses Buches, dass den Umschlag schmückt, möchte ich mit euch teilen:
“Die Trennungslinie zwischen denen, die denken wollen und deshalb für sich selbst urteilen müssen, und denen, die sich kein Urteil bilden, verläuft quer zu allen sozialen Unterschieden, quer zu allen Unterschieden in Kultur und Bildung. In dieser Hinsicht kann uns der totale moralische Zusammenbruch der ehrenwerten Gesellschaft während des Hitlerregimes lehren, dass es sich bei denen, auf die unter solchen Umständen Verlass ist, nicht um jene handelt, denen Werte lieb und teuer sind und die an moralischen Normen und Maßstäben festhalten; man weiß jetzt, dass sich all dies über Nacht ändern kann, und was davon übrig bleibt, ist die Gewohnheit, an irgendetwas festzuhalten. Viel verlässlicher werden die Zweifler und Skeptiker sein, nicht etwa weil Skeptizismus gut und Zweifel heilsam ist, sondern weil diese Menschen es gewohnt sind, Dinge zu überprüfen und sich ihre eigene Meinung zu bilden. Am allerbesten werden jene sein, die wenigstens eins genau wissen: dass wir, solange wir leben, dazu verdammt sind, mit uns selbst zusammenzuleben, was immer auch geschehen mag.”
Hannah Arendt