Ein Lied aus der Internatszeit des Grafs von Zinzendorf

Aktuell lese ich den 1957 erschienen ersten Bund der Zinzendorf-Trilogie vom Historiker Erich Beyreuther: “Der junge Zinzendorf”. Ehrlich gesagt finde ich die Mischung aus kühler Distanz und harscher Bewunderung, die Beyreuther zu Zinzendorf aufzeichnet, irritierend, aber das Leben Zinzendorfs fasziniert von frühester Kindheit an.

Bereits in jüngsten Jahren lernt er den Heiland lieben. Kurz nachdem er lesen und schreiben lernt, schreibt er an seinen Heiland Briefe und redet mit Jesus, in dem er im Zimmer auf und ab geht. Diese Heilandliebe fängt bei ihm bereits in seinem dritten Lebensjahr an. Zinzendorf schreibt später selbst über sich: “1703 fing ich an, Gott mit Ernst zu suchen, soviel es meine kindlichen Ideen an die Hand gaben, sonderlich aber ist von der Zeit an mein beständiger Vorsatz gewesen, ein rechter, treuer Diener Jesu zu werden.”

Dabei sollten ihm schon früh heftige Prüfungen wiederfahren. Die Großtante, die im gleichen Haus wohnt und überzeugte Lutheranerin ist, kann den Pietismus und die Pietisten nicht ertragen und verpasst dem jungen Zinzendorf Prügel, wenn er “vom lieben Heiland spricht”.

Die Prüfungen gehen in seinem Leben ziemlich hart weiter. Mit zehn kommt er auf das Seminar Frankes, gilt hier als Sonderling und hat lange Zeit Mühe mit Lehrern und Schülern klarzukommen. Vor allem ein neuer Hofmeister (als Grafen stand Zinzendorf ein solcher oberer Diener zu) nutzt die Lage zu seinen Gunsten aus. Er stachelt Zinzendorf an, seinen Verwandten zu klagen, wie schlecht es ihm am Pädagogium gehe. Die Briefe sandte er jedoch nicht ab, sondern übermittelte sie den Lehrern. Ein erster Schritt zu einem ziemlich teuflischen geistlichen Missbrauch, den der Hofmeister nun praktizierte. Er schlug den Grafen, epresste ihn finanziell und hielt ihn in Abhängigkeit. Den Lehrern ging das Dilemma Zinzendorfs eigentlich erst zum Ende seiner Schulzeit auf. Zum Teil sehr harte und unfaire Strafen waren stattdessen vor allem in seinen ersten Jahren häufig. Ein Beispiel ist besonders brutal: Mit übergehängten Eselsohren stand er am “Pranger”, da seine Schrift von den Lehrern als “Geschmiere” bewertet wurde.

Zinzendorf verliert nicht den Mut. Was ihn stärkt? Die erste Teilnahme am Abendmahl, die ihm zunächst auch lange aufgrund der Gerüchte um ihn verwehrt wird. und die Gemeinschaft mit anderen Brüdern. Er bildet mit anderen jungen Männern (13-16 Jahre alt) einen regelmäßigen Gebetstreff. Gerade hier Pädagogium reift Zinzendorfs Plan einen Orden evangelischer Adelsmänner mit dem Schwerpunkt Evangelisation zu gründen. Was mich besonders fasziniert, ist ein Lied, dass der 13- oder 14 jährige Zinzendorf geschrieben hat, und was davon spricht, wie viel Trost und Halt der junge Mann in Jesu Liebe gefunden hat:

Liebe! Die du deine Brüder
Unaussprechlich fest geliebt.
Dir ergeb´ ich mich hinwieder:
Wohl dem, der sich Dir ergibt!
Ich will, Liebe, Dir allein
Ganz und gar gewidmet sein!

Gib dich mir, oh süße Liebe!
Ruhe, liebster Schatz, in mir!
An der süßen Liebe Triebe
Find‘ ich Freude, Lust und Zier,
Und aus deiner Liebesglut
Nimmt mein Herze neuen Mut

Du bist meiner Seelen Wonne,
herrlicher Immanuel!
„Eile doch, o Gnadensonne!“
Ruft dein treues Israel –
Reiche mir und deiner Schar,
Viel von deiner Liebe dar!

Ohne dich will ich nicht leben:
Nimm mich Dir zu eigen hin!
Zu Dir will ich mich erheben,
in Dir suche ich Gewinn:
Nimm, weil mir nichts helfen kann,
Treues Heil, dich meiner an!

Ziehe mich mit Liebesseilen,
Edler Seelenbräutigam!
Nur dir lieblich nachzueilen,
Dir o heil’ges Gotteslamm,
Opfre ich den ganzen Lauf
Recht mit allen Freuden auf.

Fliehet von mir, eitle Freuden,
Und last Jesum mir allein!
Nichts soll mich von Jesu scheiden;
Dieser soll mein Alles sein.
Pflege mich und sei mein Teil.
Oh, erwünschtes Seelenheil!

Lobe nun, o Welt, und springe(?);
Treibe nur dein Spiel mit mir:
Einer ist es, dem ich singe,
Nämlich Jesus, meine Zier!
Dieser ist mir Sonn‘ und Schild.
Ob die Welt gleich tobt und brüllt.

Ruhe denn, o mein Gemüte!
Fest in Jesu, der dein Held;
Rühme dessen große Güte,
Fliehe alle Pracht der Welt.
Richte Herze, Mut und Sinn,
Ferner stets auf Jesum hin!

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