“Ein Unterricht, wie sich die Christen in Mose schicken sollen”

1525, ganz unter dem Eindruck der Bauernkriege und schwärmerischer Bewegungen, hielt Luther eine Predigt allgemeiner Art über den Umgang der Christen mit den Gesetzestexten und letztlich auch mit dem Umgang des Alten Testaments im Ganzen.

Letztlich ist seine Strategie, dass Mose die Christen nichts angehe, und dass “Heidenchristen” das natürliche Gesetz völlig ausreicht, nicht wirklich überzeugend, aber einen Gedanken fand ich bei Luther doch sehr hilfreich. Luther hält seine Leser an, sich immer wieder zu fragen, zu wem dieser Text gesagt sei. Luther in seiner unnachahmlichen Art (Link zum Dokument):

“Aber unsere Rottengeister fahren zu; bei allem was sie in Mose lesen, sprechen sie: da redet Gott, das kann niemand leugnen, darum muss man’s halten. Da fällt denn der Pöbel ein: Hui, hat es Gott geredet, wer will da widerreden? Da werden sie denn herbeigetrieben wie die Schweine über den Trog. Unsere lieben Propheten haben es dem Volk so vorgeplappert: Liebes Volk, Gott hat sein Volk geheißen, dass sie die Amalekiter totschlagen sollten, und andere Sprüche mehr. Daraus ist Jammer und Not gekommen; da sind die Bauern aufgestanden, haben keinen Unterschied gewusst, sind derart von den tollen Rottengeistern in diesen Irrtum geführt worden. Wenn da gelehrte Prediger gewesen wären, die hätten den falschen Propheten entgegentreten und ihnen lehren und so zu ihnen sprechen können: Liebe Rottengeister, es ist wahr, Gott hat es Mose geboten und hat so zum Volk geredet. Aber wir sind nicht das Volk, zu dem es der Herr redet. Mein Lieber, Gott hat auch mit Adam geredet – ich bin darum nicht Adam. Er hat Abraham geboten er solle seinen Sohn erwürgen – ich bin darum nicht Abraham, so dass ich meinen Sohn erwürgen würde. So hat er auch mit David geredet. Es ist alles Gottes Wort, wahr istʼs. Aber Gottes Wort hin, Gottes Wort her, ich muss wissen und auch haben, zu wem das Wort geredet wird. Es ist noch lange nicht an dem, dass du das Volk seist, mit dem Gott geredet hat. (…)

Man muss mit der Schrift sorgfältig umgehen und verfahren. Das Wort ist nun seit Anbeginnauf mancherlei Weise ergangen. Man muss nicht allein darauf sehen, ob es Gottes Wort sei, ob Gott es geredet habe, sondern viel mehr, zu wem es geredet sei, ob es dich betreffe oder einen anderen. Da gibtʼs denn einen Unterschied wie Sommer und Winter. Gott hat zu David viel geredet, hat ihn dies und jenes tun geheißen. Aber es geht mich nicht an, es ist nicht auch zu mir geredet. Er kann es gewiss zu mir reden, wenn er es so haben will. Du musst auf das Wort sehen, das dich betrifft, das zu dir geredet wird, und nicht auf das, das einen anderen betrifft.

Es gibt zweierlei Wort in der Schrift: Das eine geht mich nicht an, betrifft mich auch nicht, das andere betrifft mich. Und auf dasjenige, das mich angeht, kann ichʼs kühnlich wagen und mich darauf als auf einen starken Felsen verlassen. Betrifft es mich nicht, so soll ich still halten. Die falschen Propheten fahren zu und sprechen: Liebes Volk, das ist das Wort Gottes. Es ist wahr, wir könnenʼs ja nicht leugnen. Wir sind aber nicht das Volk, zu dem er redet. Gott hat uns auch weder dies noch jenes geheißen, das er ihnen zu tun befohlen hat. (…) Darum sprich(…) so: Lass Mose und sein Volk beieinander; es ist mit
ihnen aus, er geht mich nicht an. Ich höre das Wort, das mich betrifft. Wir haben das Evangelium. Christus spricht: „Geht hin und predigt das Evangelium“, nicht allein den Juden, wie Mose, sondern „allen Heiden“, ja „allen Kreaturen“. Mir ist gesagt: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig“ (Mark. 16,15 f.), und: „Geh hin und tu deinem Nächsten wie dir geschehen ist.“ (Luk. 10,36 f.) Diese Worte betreffen auch mich, denn ich bin eine von allen Kreaturen. Wenn Christus nicht hinzugesetzt hätte „Predigt allen Kreaturen“, so wollte ich mich nicht darum kümmern, wollte nicht getauft werden und mich so dazu verhalten, wie ich mich jetzt zu Mose verhalte. Um den kümmere ich mich rein gar nicht. Er geht mich auch nicht an, denn er ist nicht mir, sondern allein den Juden gegeben. Wenn indessen Christus spricht, man solle das Evangelium: „Wer glaubt und getauft wird, der wird gerettet werden“ nicht einem Volk allein, nicht an diesem oder jenem Ort der Welt, sondern allen Kreaturen der Welt predigen, so ist niemand ausgenommen, sondern es sind alle Kreaturen darin inbegriffen. Niemand braucht daran zu zweifeln, es solle auch ihm das Evangelium gepredigt werden. So glaube ich denn dem Wort, es gehe mich an, ich gehöre auch unter das Evangelium und in das Neue Testament. Darum wage ich’s auf das Wort, und sollte es mich hunderttausendmal den Hals kosten.”

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