Zehn Fragen an Joel Beeke

Unsere Interviews führen wir in der Regel per E-Mail. Das hat verständlicher Weise nicht den Charme eines persönlichen Gesprächs. Vieles hätte ich dafür gegeben, dieses Interview mit Joel Beeke live und in Farbe führen zu können. 2013 war er einer der Redner auf der Heidelberger Konferenz. Damals konte ich leider nicht teilnehmen. Joel Beeke wird vielen im deutschsprachigen Raum durch die Kinderbuchserie Auf Fels gebaut aus dem Betanien Verlag bekannt sein. Zu diesem Büchern habe ich bereits ein aufschlussreiches Interview mit ihm geführt. Mir ist nicht bekannt, dass weitere Übersetzungen seiner Bücher in irgendeinem deutschen Verlag geplant sind. Das sollte sich ändern.

Joel BeekeJoel Beeke hat eine erstaunliche Menge an Büchern geschrieben. Er ist Autor, Co-Autor und Herausgeber von 70 Büchern und hat 2000 Artikeln zu diversen Themen verfasst. Als Puritaner-Experte schöpft er aus einem riesigen Fundus an Erkenntnissen und Erfahungen der Puritaner und verknüft sie mit den Herausforderungen der gegenwärtigen Zeit. Mein Lieblingsbuch von Joel Beeke ist sein Monumetalwerk A Puritan Theology: Doctrine for Life. Wenn ich darin lese, merke ich, welch einen reichen Schatz wir in puritanischen Werken haben. Das heutige Interview gibt einen Einblick in das Leben und Denken von Joel Beeke. Hoffentlich ist es für dich eine Anregung, eines seiner Bücher zu lesen. Gleichzeitig soll das Interesse bei Verlagen an seinen Werken geweckt werden. Ich wünsche dir eine informative Lektüre!

1. Wie kamen Sie dazu schrift­stel­le­risch aktiv zu werden?

Als Gott mich mit 15 Jahren zum Dienst rief, spürte ich auch einen inneren Ruf, ihm mit dem Schreiben zu dienen. Eine Triebkraft in mir zwingt mich, zu schreiben, da ich mich beim Schreiben Gott näher fühle. Wenn ich einige Wochen nicht schreibe, entsteht eine Unruhe in mir. Mit anderen Worten: Ich muss schreiben.

2. Ist aktu­ell ein Buch­pro­jekt geplant?

Vor kurzem haben wir die Reformation Heritage KJV Study Bible und mein überarbeitetes Buch Fighting Satan: Knowing His Weaknesses, Strategies, and Defeat neu aufgelegt. Der Verlag Evangelical Press hat mein gründlich überarbeitetes Buch über den Psalm 23 The Lord Shepherding His Sheep herausgegeben. Zusammen mit Paul Smalley haben wir vor Kurzem ein Buch über das Thema Gottesfurcht bei John Bunyan beendet. Zur Zeit arbeite ich noch an folgenden Büchern: ein Buch über reformatorisches praktisches Predigen, ein Buch mit Predigten über die Offenbarung, ein Buch über die souveräne Prädestination in der Reformierten Theologie, ein Buch über die puritanische Sicht der Ehe (zusammen mit James La Belle), ein Buch über den Umgang mit Kritik und ein Taschenbuch über die Gewissheit des Glaubens für den Verlag Christian Focus.

3. Welches Buch würden Sie wiederholt lesen?

Christ Our Mediator (deutsch: Christus unser Mittler) von Thomas Goodwin.

4. Nen­nen Sie uns ihre 3 Lieb­lings­bü­cher (neben der Bibel)?

Neben der Bibel sind meine Lieblingsbücher: 4 Bände von Wilhelmus à Brakel The Christian’s Reasonable Service (Holländisch: Redelijke godsdienst); Spiritual Refining von Anthony Burgess and The Letters of Samuel Rutherford. In Brakels vier Bänden wird die reformierte Theologie und das christliche Leben sehr praktisch und warmherzig vermittelt. Burgess schreibt darüber, wie wir Gottes Wirken in der Errettung unserer Seelen erkennen können. Vor Kurzem habe ich einen Teil davon überarbeitet und er wurde kürzlich herausgegeben unter dem Titel Faith Seeking Assurance. Rutherford litt sehr unter seiner Regierung wegen seinem mutigen Predigen der Wahrheit, und seine Briefe sind voll von geistlichen Einsichten in die Schönheit Christi.

5. Wie beur­tei­len Sie den refor­ma­to­ri­schen Auf­bruch unter vie­len Chris­ten aktuell?

Ich bin Gott dankbar wenn irgendwo die Wahrheit der Bibel angenommen und im Leben der Menschen verherrlicht wird. Es ist überaus erfreulich, zu hören, dass viele die Souveränität Gottes über alle Dinge und insbesondere in der Errettung mit Freuden erkennen. Das verherrlicht Gott wirklich. Meine Hoffnung und mein Gebet sind, dass wenn jemand die reformierte Theologie von Gottes souveränem Willen für sich entdeckt, man ebenfalls die biblische Lehre der Reformer und Puritaner über Anbetung, Predigen und persönliche Heiligung entdeckt.

6. Wie wur­den Sie Christ?

Als Teenager mit 14 Jahren hat mich der Heilige Geist zutiefst von meiner Sündhaftigkeit überzeugt. Ich kannte Gottes rettendes Wirken, indem er seinen Sohn sandte, um für die Sünder zu sterben und aufzuerstehen, aber ich mühte mich fast 18 Monate mit meiner schweren Sündenlast, zum einen wegen der Erbsünde aber auch wegen aktueller Sünden, bis der Herr einen Pastor zu Besuch in unsere Familie führte. Als er erzählte, dass Christus sich uns reichlich im Evangelium anbietet, zerbarst der Heilige Geist die Schuldenketten und mein Herz erfreute sich an Gottes überströmender Gnade zu mir dem armen und notleidenden Sünder. Die Schuldenlast rollte weg, meine Zunge löste sich und ich wünschte nichts lieber, als dass die ganze Welt gerettet werde.

7. In wel­chem Bereich sehen Sie die größte Not in der heu­ti­gen Chris­ten­heit und wie könnte man da am bes­ten einschreiten?

Nur der Herr allein, der Herz und Sinne durchforscht, kann Krankheiten in seinem Volk absolut richtig diagnostizieren und auch heilen. Eins, was mir Sorge bereitet, ist die Tendenz der Unausgeglichenheit zwischen Lehre und Erfahrung. Einige Christen werden in hohem Maße getrieben von geistlichen Erfahrungen, denn sie sind unsicher und schlecht gegründet in der Wahrheit. Schnell werden sie von Weltlichkeit und falschen Lehren beeinflusst. Andere Christen meinen tiefere theologische Erkenntnisse zu haben, als so mancher Vollzeittheologe, aber ihre Herzen verkümmern und ihre Taten zeugen nicht von der Liebe Christi. Für mich war es eine große Hilfe, beides, Lehre und Praxis, durch das Lesen der Reformer, Puritaner und niederländischer Heiligen der Reformation zu vertiefen. Diese waren stets bemüht das Wort Gottes ins Herz aufzunehmen und sie taten das, indem sie ihr Denken erleuchteten und ihr Gewissen mit der Wahrheit herausforderten.

8. Was bedeu­tet für Sie „Christ sein“?

Das Kernstück des Glaubens ist die Gemeinschaft mit Jesus Christus durch geistgewirkten Glauben. Das ist schwierig in eine Definition zu packen, da ein Christ ein reales menschliches Wesen ist, das gleichzeitig mit einer Kraft vom Himmel durchdrungen ist. Da ist mehr dran als nur eine Zugehörigkeit zu einer Kirche, mehr als ein paar Dogmen, auch wenn beides mit eingeschlossen ist. Es ist ein Erfahrungswissen über Gott, vermittelt durch Jesus Christus. Der Heidelberger Katechismus drückt es treffend aus: Der Christ gehört nicht sich selbst, sondern er gehört Christus im Leben und im Sterben, mit Leib und Seele, denn Christus hat ihn mit seinem eigenen Blut erkauft. Der Vater sorgt für ihn in weiser und umfassenden Vorsehung und der Heilige Geist macht ihn des ewigen Lebens gewiss, willig und bereit für Gott zu leben. Das Katechismus fährt fort und betont, dass ein wahrer Christ stets auf heftigste seiner Sündhaftigkeit und gleichzeitig seiner herrlichen Erlösung durch Christus bewusst ist, und er trägt den sehnlichsten Wunsch in sich, ein heiliges, dankbares und geheiligtes Leben zu führen, und so gut wie nur möglich auf dieser Erde dem Ebenbild Jesu gleichgestaltet werden will.

9. Worin sehen Sie Grund­la­gen für geist­li­ches Wachstum?

Du must ein Mensch sein, der für Gott abgesondert ist, denn ohne ihn kann keiner errettet werden. Du kannst nicht wachsen, wenn du nicht zuvor von Christus lebendig gemacht wurdest, und wir starteten alle ja als Tote durch die Sünde. Wenn du wiedergeboren wirst, musst du in der Heiligung wachsen. Das ist nichts asketisches (das Befolgen von Menschen erdachter Regeln, um sich zu verleugnen und dem Körper Leid anzutun), mystisches (Erfahrungen, die nicht schriftgemäß sind) oder sakramentales (von Menschen entwickelte Rituale und Priester, die Gnade vermitteln). Vielmehr wächst du in der Heiligung, indem du einen zunehmenden Glauben an Christus auslebst, wie die Bibel ihn zeigt, und seine Gebote durch den Glauben befolgst. Du tust das, indem du regelmäßig die Mittel verwendest, die Gott dafür vorgesehen hat (Mittel der Gnade): hören auf die Verkündigung des Wortes Gottes, das Wort Gottes beten, das Wort Gottes singen, das Wort Gottes lesen, die sichtbaren biblischen Zeichen wie Taufe und Abendmahl und das Wort Gottes unter allen Menschen ausbreiten. Für eine detaillierte Ausführung empfehle ich meine Broschüre Holiness: God’s Call to Sanctification.

10. Wel­che his­to­ri­sche Per­son wür­den Sie gerne Tref­fen und wel­che Fra­gen wür­den Sie mit die­ser bespre­chen wollen?

Ich würde gerne Samuel Rutherford treffen und ihn fragen, wie der Heilige Geist ihn so tief in seinem Herzen berührte, dass er eine so innige Liebe zu seinem herrlichen Erlöser hatte.

Danke, Bru­der Joel Beeke, für die Zeit, die Sie in die Beant­wor­tung der Fra­gen inves­tiert haben.

Joel Beeke bloggt unter: joelbeeke.org

1 Kommentar zu „Zehn Fragen an Joel Beeke“

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