Erneut erschüttert las ich vor kurzem zum wiederholten Male diesen Text von Wilhelm Busch! Welch harter Kampf hier stattfand! Wie kämpfen wir heute um die Kraft des übenatürlichen Wortes Gottes?
Als ich – ein junger Theologe – die Universität verließ, hatte ich in den Vorlesungen über das Alte Testament gelernt, dass man in den fünf Büchern Mose verschiedene Quellen feststellen könne: den Jahwist und den Elohist … Ich hatte älteste und jüngere Bestandteile unterscheiden gelernt … Ich hatte gehört, dass es einen ersten und einen zweiten Jesaja gäbe … Man hatte mir gezeigt, wie man die »unterchristliche Frömmigkeit« des Alten Testaments von der »Lehre Jesu« unterscheiden könne … Kurz – das Alte Testament war ein höchst zweifelhaftes Erzeugnis religiöser jüdischer Literatur. So entließ mich die Universität in eine große Gemeinde als »Prediger des Wortes Gottes«. »Wort Gottes«?! War das Alte Testament »Wort Gottes«? Man hatte uns gesagt, das Alte Testament sei für uns gültig, »soweit es Christum treibe«. Nun schön! Aber – was »trieb denn hier Christum«? Selbst das große Kapitel Jesaja 53 war ja – wie man uns gesagt hatte – gar nicht eine messianische Verheißung, sondern es wurde hier »die Idee des stellvertretenden Leidens« ausgesprochen.
Es wurde mir klar: Das ganze Alte Testament war nichts als eine einzige Verlegenheit.
Doch wie dankbar bin ich, dass mir aus dieser kritischen Haltung herausgeholfen wurde durch allerlei Erlebnisse, die mir zeigten, dass man auch ganz anders mit diesem Buch um-gehen könne. Da sagte mir einst meine liebe Mutter: »Ich habe so viel Segen vom 3. Buch Mose.« Ich horchte auf: Vom 3. Buch Mose?! Da standen doch nur längst überholte Kultvorschriften, deren Ursprünge nach Ägypten oder Babylon oder wer weiß wohin wiesen! Ich hielt eine Bibelstunde über die Geschichte, wie Mose Wasser aus dem Felsen schlägt. Und da sagte ich schöne und herzbewegende Worte über die Tatsache, dass Gott die Seinen nicht im Stich lässt. Ich war überzeugt, ich hätte sehr gut gesprochen. Aber da kam ein alter, erfahrener Jünger Jesu auf mich zu und erklärte mir: »In meiner Bibel steht: ›Der geistliche Fels, der nachfolgte, war Christus.‹ – Davon habe ich heute Abend bei Ihnen nichts gehört.« Solche und ähnliche Erlebnisse zeigten mir, dass ich das Eigentliche im Alten Testament noch gar nicht bemerkt hatte. Aber – wie sollte ich dahin kommen?
Da gab mir bei einem Besuch in Berlin der da-malige Generalsekretär des CVJM, Heilmann, ein Buch von Spurgeon: »Alttestamentliche Bilder.« Ich verschlang dies Buch. Eine neue Welt ging mir auf. Nun forschte ich weiter. Ich entdeckte F. W. Krummachers »Blicke in das Reich der Gnade«. Und schließlich fand ich das herrliche Buch von G. D. Krummacher (Erweckungsprediger in Wuppertal): »Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan.« Die Beschäftigung mit Tersteegen brachte mich an die Schriften der Madame de la Mothe-Guyon. Bei meiner neuen Lektüre entdeckte ich:
Es gab eine stille Strömung in der Christenheit (wir nennen sie »Pietismus«), die allezeit ein geistliches Verständnis des Alten Testaments gepflegt hatte. Ich kann es nicht aussprechen, wie viel ich diesen »Pietisten« verdanke. Von ihnen habe ich die Schrift neu lesen gelernt.
Und nun muss ich immer wieder an das Wort des Herrn Jesu denken: »Suchet in der Schrift, denn sie ist’s, die von mir zeuget!«In diesem Buch wage ich es, einige Predigten zu bringen, die ich in Essen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gehalten habe.
Es wäre mir lieber, man würde meine Lehrmeister lesen. Aber ihre Bücher sind längst vergriffen. So muss der Schüler eben seine sehr viel armsligeren Zeugnisse vorlegen. Man wende nicht ein, solche Sprache verstehe der moderne Mensch nicht mehr. Die Gottes-dienste waren von viel Jugend und auch von gebildeten Leuten besucht. Wichtiger war mir, dass die gläubigen Kinder Gottes hier Nahrung für ihr inneres Leben fanden.
Meine theologisch gebildeten Brüder werden von diesen Predigten sagen: »So geht’s nicht!« Sie werden einwenden, man dürfe nicht mit »Allegorie« und »doppeltem Schriftsinn« aus-legen. Da kann ich nur erklären: »Brüder, seht ihr nicht, wie uns das Alte Testament verschlossen ist? Zeigt mir einen besseren Weg! Ich bin überzeugt, dass es dem Heiligen Geist gefallen hat, überall im Alten Testament verborgen das Kreuz Jesu Christi zu bezeugen.« Dies Kreuz aber ist die lebendige Quelle allen Heils.
Wilhelm Busch in seinem Vorwort zu seinem Werk: “Spuren zum Kreuz”
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