Wenn man nicht mehr lesen kann…

Immer wieder habe ich Phasen, in denen mir Bücher, vor allem theologische Bücher als derart lästig vorkommen, dass ich sie nicht mehr lesen mag.

Es sind Phasen, in denen mich selbst die besten Werke und liebsten Autoren ärgern. Ich möchte das an einem meiner Lieblingsautoren, Carl R. Trueman, illustrieren. So fiel mir immer auf, dass er “katholikenfreundlich” schreibt. Das finde ich im Allgemeinen zunächst unproblematisch. Aber dann lese ich seine Kritik an den Evangelikalen, die Bekenntnisse nicht so ernst nehmen. Nun was soll man dann machen? Soll ich Carl. R. Trueman daran erinnern, dass es ja sein Bekenntnis ist, das in Artikel 26,5 über den Papst diese Aussage trifft: “Auch der Papst von Rom kann nicht in irgendeinem Sinn ihr Haupt sein, sondern er ist der Antichrist, der Mensch der Sünde und Sohn des Verderbens, der sich selbst in der Kirche gegen Christus und alles, was Gott genannt wird, erhebt”. In Kürze: Ich fange an, diese Aussagen persönlich zu nehmen und das Gefühl, dass all diese Aussagen bloß Macht-Strategien sind, um sich einen guten Lehrstuhl zu verschaffen oder die richtige Zeitschrift (FirstThings) als Herausgeber zu erhalten, fängt an zu dominieren.

Natürlich mag ich mich irren, und ich hoffe, hier kein Urteil über Trueman zu fällen, sondern vor allem zu beschreiben, wie der Keim eines Verdachts aufkommt, der nicht so schnell ausgerottet werden kann. Das Lesen von Trueman ist auf jeden Fall zunächst gelähmt. Greife ich nach Trueman zu einem seelsorgerlichen Werk, keimt der Verdacht aber weiter: Auch dieses Buch landet in der Ecke, da ich nicht den Verdacht loswerde, dass dieses wiederum aus rein finanziellen oder sonstig manipulativen Gründen verfasst wurde. Im Übrigen ist das ganze hier nur ein punktueller Einblick in eine äußerst dicke und Schicht Frustration mit theologischen Büchern, die oft lange schlummert und nun erbarmungslos herausbricht. Ich habe einfach keine Geduld mehr mit ihnen.

Das kann gehörig frustrierend sein, aber da ich bereits die dritte Runde “dieser Fastenzeit” drehe, bringe ich dieses Mal etwas mehr Gelassenheit mit. In diesem Artikel möchte ich nun schildern, was ich anschließend unternehme (und was mich letztlich zu den Büchern zurückbringt)

Literatur neu entdecken

In einer solchen “Theologie-Flaute” entdecke ich immer auch meine Begeisterung für klassische Literatur aufs Neue. Ich habe immer den Verdacht gehabt, dass ich nicht über die Theologie auf das Lesen sondern durch das Lesen auf die Theologie gekommen bin. Auch fällt irgendwie die Frage nach der “Glaubwürdigkeit” des Autors bei einem Nicht-Christen nicht so schwer ins Gewicht. Auch wenn der Kummer gerade bei hochwertigen Werken nicht christlicher Autoren schwer wiegt: Wie kann jemand, der so ein grandios schönes Werk verfasst hat, nun in der Hölle sein? Vielleicht griff ich auch aus diesem Grund dieses Mal zu einem christlichen Werk, genauer zu “Die Brüder Karamazov” von Fjodor M. Dostojewski. Einen Auszug dieses Werkes habe ich hier im Blog bereits vor Wochen besprochen, was zeigt, wie lange mich dieses Werk nun beschäftigt. Ich höre das Buch auf russisch und von den fast 50h liegen immer noch 17 vor mir. Ich bin aber froh, dass ich mich für dieses Werk entschieden habe, und wenn ich von diesem Buch erzähle, erwähne ich regelmäßig, dass das Buch einen nicht unverändert lassen wird. Man wird zu einem anderen Menschen. Das mag für manche so klingen, als erhebe ich das Buch auf eine Höhe mit der Bibel, was so gar nicht gemeint ist. Was aber gemeint ist, dass mich die vielen Personenbeschreibungen und -entwicklungen durch ihre Genauigkeit erschüttert haben, die zahlreichen Episoden des Buches dabei gleichzeitig immer herausfordernd bleiben, sich zu positionieren. So wahr mir Gott helfe, will ich dieses Werk ebenfalls ausführlicher rezensieren.

Warum ist das hier erwähnenswert? Weil meine Zeit begrenzt ist! In der “Ich bin nicht mit theologischen Büchern frustriert” – Phase wird Literatur gegenüber den theologischen Werken den kürzeren ziehen, da ich Religion/Frömmigkeit/Theologie für das Zentrum des menschlichen Lebens halte. Somit für wichtiger, entscheidender! Statt “Die Brüder Karamazov” würde ich dann eher Truemans (!) “Der Siegeszug des modernen Selbst lesen”. Da aber nun Variante PRIO-1 “verstopft” ist, bleibt mir “nur” PRIO-2.

Die Bibel neu entdecken

Diese Art Lesenslähmung tritt übrigens nicht mit der Bibel auf (Wenn ich auch gestehen muss, dass nicht immer der Eifer für das Wort Gottes vorhanden ist!). Bei diesem Buch fühlt man sich nicht als Leser für eine höhere “Popularität” benutzt. Die Aufrichtigkeit der Bibel fasziniert. Selbst viele entschiedene Kritiker des Christentums loben die ehrliche Darstellung “der biblischen Personen”. Von Heiligenverehrung oder beschönigenden Berichten findet sich in der Bibel nichts. Das schafft ungemeines Vertrauen. Und so entschied ich mich ausgerechnet in dieser Frustrationsphase zur Lektüre eher schwieriger Bibelbücher: Der Chronikbücher und der Propheten Joel und Obadja. Mir ist dann Obadja 21 aufgefallen: “die Geretteten werden auf den Berg Zion ziehn (…) und die Königsherrschaft wird des HERRN sein”. Eine derart ungewöhnliche Prophezeihung in einem ansonsten so technischen Text über Edomitische Geschichte hat mich überrascht. Die Parallele dieses Themas findet sich mindestens in Mi. 4,7, aber in weiterem Sinne auch in weiteren Stellen.

Ich wollte mehr über die Rezeptions Obadjas bei den anderen Propheten erfahren (Die leitende Frage: Wer zitiert warum wen?) und griff (wenn auch noch mit einem Seufzer) zu einem Kommentar, – genauer- , ich fing an, erste Recherchen in Logos durchzuführen. Plötzlich war es mir egal, ob der Autor, den ich las, sein Werk mit einem bösen Ziel verfasst hat, wenn nur die Informationen, die ich bei ihm finde, mir helfen. Tatsächlich war der Autor des Kommentars mir gänzlich unbekannt, hat aber auf bereits wenigen Seiten sehr hilfreiches Licht geliefert. (Ich meine by the way Winfried Meissner von Edition C).

Ähnlich ging es mir bei den Chronike-Büchern. Es werden gigantische Opfertiere genannt: 2. Chronik 7,5 berichtet von 22.000 Rindern und 120.000 Schafen, die im Laufe von 7 Tagen geopfert wurden. Das gleiche Kapitel berichtet zwar auch, dass zusätzlich zum Altar auch der Vorhof als Opferplatz verwendet wurde, dennoch irritieren mich diese derart hohen Zahlen. Das Problem mit den Zahlen lief mir bereits regelmäßig über den Weg und ich konnte nicht immer zufriedenstellende Antworten finden, aber ich werde auch zu diesen Stellen in den folgenden Tagen weitergehende Recherchen durchführen (so wahr mir Gott helfe).

So bin ich gewiss, dass ich schon in kurzer Zeit wieder zu Trueman/Welch/Carson/… greifen werde. Doch zunächst sind andere Werke dran!

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