Seit einigen Jahren bin ich in meiner Gemeinde als Laienprediger tätig. Für mich ist das einerseits eine hohe und kostbare Berufung, andererseits eine Herausforderung, die von Mal zu Mal größer wird (da einem die Verantwortung bewusst wird). Was Laienpredigten in russlanddeutschen Gemeinden von z.B. Predigten in reformierten Gemeinden unterscheidet ist die Kürze. Meist sind es zwei bis drei Brüder, die am Wort dienen und hier etwa 15 bis 25 Minuten Zeit dafür haben. Mit dieser Praxis will man auch 1 Kor. 14,26-33 genügen.
Auch wenn sicherlich nicht immer alles reibungslos abläuft, ist das Modell der Laienpredigt eine Reflexion des Allgemeinen Priestertums und der Vielfalt der Gaben, die in der Gemeinde vorhanden sind. Manchmal wird gegen die Laienpredigt einwendet, dass die Bibel ja nur berufene Pastoren kennt, doch damit verwechselt man das Pastorenamt mit dem Dienst der Predigt. So als wäre irgendein Laienprediger meiner Gemeinde nicht von Gemeinde (durch die Leitung) zum Dienst berufen. Selbst die Berufung zum Dienst entspricht hier also eher dem biblischen Modell, als wenn man die Berufen hält, die von Ihren theologischen Ausbildungen berufen sind. So als würde die Uni die Prediger einer Gemeinde berufen!
Doch nicht die Verteidigung der russlanddeutschen Predigt ist das Ziel dieses Artikels, sondern eine andere Überlegung: Da es mein Ziel war, diese Aufgabe gut zu erfüllen, habe ich einiges an Literatur referenziert und festgestellt – bei dem vielen Guten das sie beibringen – das ein Umsetzungsproblem bleibt. Ein Großteil dieser Werke, Podcasts und Anleitungen hat vor allem 45-Minuten lange Predigten im Blick. Nicht alles davon kann man eins zu eins auf eine 15-Minütige Andacht übertragen. Eben weil man mehrere Brüder reden lässt, sind die Predigten in russlanddeutschen Gemeinden häufig kürzer. Aus diesem Grund habe ich meine Andachten auch “Viertelstunden” genannt.
Ok genug der Vorrede, einige Erfahrungen, die ich in der Zeit sammeln konnte:
- Verachte die Möglichkeit vor anderen über religiöse Fragen zu reden nicht! Wolfgang Dyck berichtet in seinen Werken davon, dass er in den Nachtclubs und Discos von St. Pauli und Co nur wenige Minuten für ein Wort bekam! Überhaupt gibt es eine Menge Situationen, in denen man nur wenige Minuten etwas zu sagen hat bzw. auf offene Ohren stößt. Es gibt die schädliche Überlegung, die sich einschleichen kann, dass man anfängt zu denken, nur eine Predigt von 45 Minuten ist eine Predigt, die der Mühe wert ist. Obwohl 45 Minuten Predigten ihre Vorteile haben, ist es einfach ein anderes Szenario. Aber hier gibt es keinen Unterschied in der Wichtigkeit!
- Noch mehr “fällen”. Sporadisch konnte ich auch längere Vorträge und Themen halten. Selbst hier war ich immer wieder erstaunt, dass man mindestens 2/3 der Vorarbeit “fällen” muss. In “Jesus predigen- nicht irgendwas” spricht Wilhelm Busch über die Wichtigkeit dieser Aufgabe. Die Vorbereitung muss eigentlich ausfallen wie für eine Predigt von 45 Minuten und nun fängt ein intensives Fällen an.
- Noch mehr “konzentrieren”: Es predigen zwei: Einer predigt 45 Minuten, einer 15 Minuten. Beide weichen für die geringe Zeit von 5 Minuten ab. Nehmen einen uneindeutigen Verweis, ein unpassendes Zitat, ein oberflächliches Beispiel. Der Erste Prediger mit der Langen Andacht, kann noch ohne weiteres die Kurve kriegen. Die 5 MInuten sind gerade mal 10% seiner Andacht gewesen. Vielleicht werden sie gar vergessen, da der andere Teil gelingt. Bei einem drittel verlorener Zeit sieht die Situation für den zweiten Prediger ganz anders aus: Das bedeutet, das jede Illustration, jedes Beispiel, jeder gewählte Vers bei einer kurzen Andacht noch viel mehr (vor allem im Gebet und in der Gemeinschaft mit Christus) ausgewählt werden sollte. Selbstverständlich bedeutet es auch, dass jede rein rhetorisch angesetzte “Phrasenwiederholung” wirklich ernsthaft erwägt werden sollte.
- Noch mehr Eindeutigkeit: Eine längere Andacht kann emotionell wandern: Nüchtern anfangen, emotionall anfangen und schließlich ziemlich ermahnend ändern. Eine kurze Andacht kann das alles auch sein: Entweder sachlich, oder emotionell, oder herausfordernd, oder exegetisch gründlich, oder wie “ein Lexikonartikel”: Aber sie kann nur eines davon sein
- Kürze nur nicht am biblischen Text: Eine Herausforderung, an der Viele scheitern. Ihnen ist die Knappheit der Zeit klar, somit fängt man an nur einen Text eines größeren Bibelabschnitts zu wählen. Den Rest fast man in eigenen Worten zusammen. Außer in dem Fall wo der zu besprechenden Text vorgeben ist, halte ich dieses Vorgehen für falsch. Es gibt nichts besseres, was wir sagen können, als den biblischen Text. Und wenn wir den Lesern Lust zum Worte Gottes gemacht haben, Jesus schmackhaft gemacht haben, mögliche Störfrequenzen und Stolpersteine für den gewählten Text beseitigt haben, dann haben wir unsere Arbeit getan.
- Zum Schluss eine Ermutigung: Wer sein Thema in 15 Minuten überzeugend vorbringen kann, dem gelingt das auch in 45 Minuten. Umgekehrt ist es schwieriger.