Vor einigen Jahren stand ich eines Morgens mit der Absicht auf, mir als Vorbereitung auf einen Besuch in London die Haare schneiden zu lassen, und der erste Brief, den ich öffnete, machte mir klar, dass ich nicht nach London zu fahren brauche. Also beschloss ich auch das Haareschneiden aufzuschieben. Aber da begann in mir ein ganz unerklärliches leises Quengeln, fast als sage eine Stimme: „Lass sie dir trotzdem schneiden. Geh und lass sie schneiden.“ Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich ging. Nun war zu jener Zeit mein Friseur ein Mitchrist und ein Mann mit vielen Schwierigkeiten, dem mein Bruder und ich hin und wieder hatten helfen können. Sobald ich seine Ladentür öffnete, sagte er: „Ach, ich habe darum gebetet, Sie möchten heute kommen.“ Und in der Tat: Wäre ich einen oder zwei Tage später gekommen – ich hätte ihm nichts genutzt ( Zitat S.5)
Wenn ich zu Büchern von C.S. Lewis greife, tue ich das ungerne; er war eine Persönlichkeit, die polarisiert (auf sermon audio findet man eine Masse Beiträge, die ihn verurteilen, und eine ebenso große Masse an Beiträgen die ihn in besten Tönen ehren), und so ganz schlau bin ich aus ihm nicht geworden. Aber immer wenn ich mich überwand, ihn zu lesen, wurde ich nicht enttäuscht. So auch bei dieser Auswahl an Essays von Lewis.
Obiges Zitat ist dem Beitrag entnommen mit dem Titel „Von der Wirksamkeit des Gebets“. Das Gebet ist kräftig und nie umsonst, und doch keine Maschinerie, so als bestehe hier ein wissenschaftlich messbarer Zusammenhang zwischen Gebet und Erfüllung desselben. Lewis besticht durch seine Argumentation:
Noch schlimmer wäre es, wollte man sich jene, deren Gebet erhört wird, als eine Art Günstlinge vorstellen, als Leute, die Einfluss bei Hofe haben. Das abgewiesene Gebet Christi in Gethsemane gibt darauf hinreichend Antwort. (…) Verlässt also Gott gerade seinen treuesten Diener? Nun, sein allertreuester rief, einem qualvollen Tode nah: „Warum hast du mich verlassen?“ (Zitat S. 12 f.)
Man würde nicht unbedingt von einem Professor der Literatur einen Beitrag zum Thema Gebet erwarten, aber Lewis schreibt hier als ein Christ von Erfahrungen der Jünger Jesu.
Das zweite Essay mit dem Titel „Über das Festhalten am Glauben“ ist eine schöne Motivation sich nicht durch vermeintliche wissenschaftliche Argumente vom Glauben abbringen zu lassen. Ein Glaube der sich beweisen lässt, ist kein Glaube mehr. Wenn ich einem Freund meine Treue und Zuverlässigkeit beweisen musst, kann keine Rede mehr von Vertrauen sein.
Was mich am dritten Beitrag „Gute Arbeit und gute Werke“ überrascht hat, ist seine Aktualität. Lewis beklagt eine Folge der Industrialisierung: Den Wegfall „guter“ Arbeit:
Auch Künstler reden von „guter Arbeit“ – aber immer seltener. Sie geben nachgerade andern Wörtern den Vorzug, wie „bedeutend“, „wichtig“, „modern“ oder kühn“. Das ist nach meiner Meinung kein gutes Symptom. Aber in allen voll industrialisierten Gesellschaften ist die große Masse der Menschen das Opfer einer Sachlage, die das Ideal guter Arbeit von Anfang an fast ausschließen (…) Heutzutage darf Arbeit nicht gut sein. (Zitat S. 33)
Arbeit verliert durch Massenfertigung und Fließbandarbeit Ihren Wert für den Arbeitnehmer. Während ein Schmied in der Antike wusste, dass von der Qualität seiner Arbeit der Erfolg eines ganzen Krieges abhängen kann und sich somit ins Zeug warf, weiß einer, der Plakate klebt, der einen „nutzlosen, hässlichen und verderblichen Luxusgegenstand“ (Zitat S. 38). Arbeit wird nach Gelegenheit gewählt, nach der besten Bezahlung und den besten Bedingungen, den Zusammenhang zwischen Beruf und Berufung hat man dabei vergessen.
Ich denke dieser Beitrag wäre für jeden jungen Menschen empfehlenswert, der sich aktuell nach einem Beruf umsieht. Lewis ermahnt uns:
Und selbstverständlich werden wir (Christen; Anm. Verfasser) Ausschau halten nach jeder Möglichkeit des Entweichen. Falls wir unsere Laufbahn wählen können (aber kann das einer unter tausend?), werden wir hinter den vernünftigen Aufgaben her sein, wie ein Windhund an ihnen festhalten wie die Kletten. Falls uns die Möglichkeit geboten wird, werden wir versuchen, unsern Lebensunterhalt zu verdienen, in dem wir eine Arbeit gut leisten, die sich lohnte, auch wenn wir uns nicht um unseren Lebensunterhalt mühen müssten. Eine beträchtliche Demütigung unserer Habsucht mag nötig werden. Meistens bringen gerade die sinnwidrigen Arbeiten sehr viel Geld ein; sie sind häufig auch die am wenigsten mühseligen (S. 40 f.)
Dieser dritte Beitrag zeigt, dass Lewis klar in einem christlichen Weltbild denkt. Für Ihn haben alle Fragen des Lebens, alle Entwicklungen eines Menschen oder eines Staates einen Bezug zum Glauben. Das ist etwas, wo er uns ein Vorbild ist. Obwohl ich persönlich über die beschriebene Problematik des Verlustes von Arbeitsqualität öfter nachgedacht habe, habe ich noch nie eine Predigt zu diesem Thema gehört. Heute reduzieren wir den Glauben gerne auf einen immer kleiner werdenden Zuständigkeitsbereich. Lewis gibt dieser Entwicklung ordentlich Gegenwind!
Der vierte Beitrag zeigt, dass Lewis sich keine Denkverbote auferlegen lässt. In dem Essay „Religion und Raketen“ geht er der Frage nach, ob unser Glaube erschüttert würde, wenn Leben im All entdeckt werde. Ein Einwand der Wissenschaft, der ja bis heute noch gerne geführt wird und bis heute rein spekulativ bleiben wird. Für Lewis wird er das auch immer sein, dennoch führt er mit uns ein Gedankenexperiment mit dem klaren Ergebnis, dass hier kein Konflikt mit dem Glauben vorliegen würde. Recht köstlich zu lesen.
Der titelgebende Beitrag „Die letzte Nacht der Welt“ zeigt Lewis klares Bekenntnis zu den Lehren der Kirche. Es ist ein Plädoyer für das Erwarten der Wiederkunft Christi. Lewis erkennt hier bereits die Kampffront. Die Apokalyptik der Bibel steht im Konflikt mit der Evolutionstheorie. Ein plötzliches Ende steht im Widerspruch, der ganzen Hoffnung der Welt um uns herum, alles entwickele sich weiter, werde besser, reiner, klarer.
Die Lehre vom Zweiten Kommen des Herrn ist dem ganzen modernen Entwicklungs-Denken zuwider. Wir haben gelernt, uns die Welt als etwas vorzustellen, das langsam seiner Vollendung entgegen wächst, als etwas, das fortschreitet oder sich entfaltet. Die christliche Apokalyptik bietet uns dergleichen Hoffnung nicht. (Zitat S. 63)
Später führt er vollkommen korrekt aus:
In der biologischen Geschichte gibt es kein allgemeingültiges Gesetz des Fortschritts (…) Selbst wenn es das gäbe, folgte daraus nicht – ja, es ist handgreiflich nicht der Fall -, dass es ein Gesetz des Fortschritts in der Sitten-, Kultur- und Sozialgeschichte gibt. Niemand, der die Weltgeschichte betrachtet, ohne für die Fortschrittsidee voreingenommen zu sein, kann in ihr ein stetiges Ansteigen feststellen. Oftmals gibt es einen Fortschritt innerhalb eines bestimmten Gebietes und von begrenzter Dauer. Eine Porzellanmanufaktur oder eine Malschule, eine sittliche Bemühung in einer bestimmten Richtung, eine praktische Kunst, wie das Gesundheitswesen oder Schiffsbau, mögen während einer Anzahl Jahre beständig wachsen. Würde sich ein solcher Vorgang über alle Sparten des Lebens ausbreiten und ohne Aufhören dauern, dann wäre das „Fortschritt“ von der Art, an die unsere Väter geglaubt haben. Aber so etwas scheint niemals vorzukommen. Entweder wird er (durch Barbareneinfälle oder das noch schwerer abzuwehrende Eindringen des modernen Industrialismus) unterbrochen, oder aber er zerfällt auf geheimnisvolle Weise. (Zitat S. 66)
Im weiteren Verlauf des Essays macht Lewis Lust darauf, auf die Wiederkunft Christi zu warten, ohne ein „beschäftigter Nichtstuer“ zu werden. Er schreibt:
(…) George MacDonalad hat gute Worte gefunden. „Glauben Jene“, so fragt er, „die sagen: „Seht, hier sind Zeichen seines Kommens, oder dort“ – glauben sie, auf der Hut zu sein und seine Ankunft zu erspähen? Während er sie ermahnt, aufzupassen, dass er sie nicht dabei antreffe, wie sie ihre Arbeit vernachlässigen, glotzen sie hierhin und dorthin und passen auf, dass es ihm nicht gelinge, wie ein Dieb zu kommen! Gehorsam ist der einzige Schlüssel zum Leben“ (Zitat S. 71)
Das kleine Büchlein endet mit einem eher schwachen Nachwort des Herausgebers. Was ich vermisse ist eine Datumsangabe über die Erstveröffentlichung der Beiträge. Dadurch wäre eine Eingliederung der Beiträge besser möglich.
Das Buch ist im Brunnen-Verlag erschienen und so weit ich informiert bin nur noch antiquarisch verfügbar.
Guten Morgen,
“Während ein Schmied in der Antike wusste, dass von der Qualität seiner Arbeit der Erfolg eines ganzen Krieges abhängen kann und sich somit ins Zeug warf, weiß einer, der Plakate klebt, der einen „nutzlosen, hässlichen und verderblichen Luxusgegenstand“ (Zitat S. 38).”
Hier fehlt noch etwas oder?
Danke Waldemar für den Hinweis, ich muss nur das Buch finden, um das Zitat zu korrigieren 🙂