Russlanddeutsche Freikirchen in der Bundesrepublik Deutschland

Grundlinien ihrer Geschichte, ihrer Entwicklung und Theologie. So heißt das 452 Seiten starke Werk des Dozenten John N. Klassen.

Ich möchte heute ein Buch vorstellen, das ich mit viel Genuss, aber auch Wehmut gelesen habe. Nachdem ich es bestellt hatte, stand es zuerst eine Zeit im Regal, da ich mich nicht traute, mit dem Lesen zu beginnen. Es gibt manche Bücher, die mit einem Rutsch durchgelesen werden können ohne den Leser sonderlich zu bewegen. Andere greifen das Gemüt an und erzeugen Emotionen.

Russlanddeutsche Freikirchen in der Bundesrepublik Deutschland ist ein Buch, dass mich nicht unberührt gelassen hat. Es ist eine sorgfältige Ausarbeitung und wurde ursprünglich als Dissertation geschrieben. Gegenstand des Buches ist die russlanddeutsche Geschichte, die Entwicklung der Russlanddeutschen in der neuen, alten Heimat Deutschland und deren Theologie. Mich hat das Buch nicht kalt gelassen, da ich mich als Russlanddeutscher in vielen Bereichen selber angesprochen fühle.

Es gibt sehr wenig Literatur, die sich mit den Christen unter den Russlanddeutschen befasst. Obwohl diese mittlerweile einen nicht unbedeutenden Zweig innerhalb der deutschen evangelikalen Bewegung darstellen. Deshalb bin ich für dieses Buch dankbar. John N. Klassen, selbst Mennonit, schreibt gut verständlich und sensibel.

Das Buch besteht aus vier Teilen, wobei der Autor bei der Auswanderung der Deutschen nach Russland beginnt. Der Leser erhält dabei einen guten Einblick über die Hintergründe bei der Ausreise. Auch über das Leben in Russland bzw. Sowjetunion schreibt Klassen eindrücklich. Im zweiten Teil geht es um den Aufbruch nach Deutschland und die Gründung erster Gemeinden. Im dritten und ausführlichsten Teil wird das Wachsen und Leben der Aussiedler-Gemeinden dargestellt. Dabei stellt Klassen mehrere Gemeinden aus verschiedenen Richtungen der Russlanddeutschen vor. Denn wer meint, Russlanddeutsche Christen wären eine homogene Gruppe, wird beim Studieren schnell eines Besseren belehrt. Die nähere Beobachtung dieser Bewegung macht schnell klar, dass die Entwicklung nach der Ausreise in die alte Heimat sehr unterschiedlich verlaufen ist.

Klassen hat viele Jahrzehnte unter Russlanddeutschen verschiedener Schattierungen gearbeitet, viele Gespräche geführt und daraus Schlussfolgerungen gezogen. Auf fast 60 Seiten versucht er Antworten auf die sehr relevante Frage der Mission und die Zukunft der Russlanddeutschen zu geben. Er zeigt dabei die besondere Frömmigkeit vieler russlanddeutscher Gemeinden auf und stellt fest, dass in vielen Gemeinden die Ethik ein deutlich höheres Gewicht als die Theologie hat. Dies ist auch ein wesentlicher Kritikpunkt Klassens. Eine Einengung der christlichen Freiheit durch, nach seiner Ansicht, kulturell bedingte Regeln.

Gleichzeitig bescheinigt er den Christen aus diesen Gemeinden eine große Bindung an die Bibel. Historisch-kritische und liberale Theologie hätten bisher in den meisten Gemeinden keinen Eingang gefunden.

Zum Schluss äußert Klassen die Hoffnung, dass sich die Aussiedler-Gemeinden im “Heimatland” integrieren werden, um missionarisch auch unter den Einheimischen relevant zu werden.

Man mag zu den Schlussfolgerungen unterschiedlich stehen. Unumstritten ist, dass dieses Buch einen Meilenstein darstellt.

Klassens Werk stellt einen lange erwarteten und unverzichtbaren Beitrag zur Aussiedlerfrömmigkeit dar. Evangelikale Aussiedler können sich nun kritisch mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzen, einheimische Evangelikale lernen eine für sie bisher eher unbekannte Welt kennen. Dr. Friedhelm Jung

Sehr interessant ist vor allem für Russlanddeutsche der Anhang mit einer Fülle von Belegen, Beispielen, Untersuchungen und Tabellen. Ein Personen-, Sach- und Ortsregister hilft bei der Suche nach bestimmten Stellen und ein detailliertes Inhaltsverzeichnis gibt einen schönen Überblick über den Inhalt. Meine Heimatgemeinde konnte ich in Auflistungen auch finden.

Leider ist das Buch mit einem Preis von 34,80 EUR nicht gerade billig. Ich hoffe trotzdem, dass viele russlanddeutsche und einheimische Christen das nötige Geld für dieses so wesentliche Werk über die Aussiedler-Gemeinden ausgeben. Es gibt keine vergleichbare Untersuchung dieser wachsenden evangelikalen Bewegung.

Titel: Russlanddeutsche Freikirchen in der Bundesrepublik Deutschland – Grundlinien ihrer Geschichte, ihrer Entwicklung und Theologie.
Autor: John N. Klassen
Sei­ten: 452
For­mat: 15 x 21 cm
Ein­band: Paper­back
Jahr: 2007
Ver­lag: VTR/VKW
Preis: 34,80 EUR

5 Kommentare zu „Russlanddeutsche Freikirchen in der Bundesrepublik Deutschland“

  1. Lieber Eddi-on-Editor,
    Mir ist grade aufgefallen, dass ihr schreibt, John Klassen sei Russlanddeutscher. Das ist so nicht ganz korrekt. Seine Vorfahren sind russlanddeutsche. Herr Klassen war viele Jahre missionarisch in Deutschland von Kanada aus taetig.

    Viele Gruesse

  2. Hallo Eduard,

    danke für den Hinweis. Wie würdest du es denn formulieren? Russlanddeutscher Kanadier? 🙂

    Gruß
    alex

  3. Hallo Lu,

    es gibt leider nur wenige Bücher über russlanddeutsche Freikirchen und Gemeinden. Im Verlag “Lichtzeichen” ist ein Buch über Mennoniten-Brüdergemeinden erschienen: “Jesus Christus leben und verkündigen”. Vielleicht ist das etwas für dich.

    Gruß, Alex

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