Right in Their Own Eyes

Mit Freuden habe ich George Schwabs mutigen Kommentar über das Buch der Richter gelesen. Der Kommentar besitzt eine spannende Eröffnung über Simson: Wieso befällt der Geist Gottes Simson gerade dann, als er gegen ein Löwenjunges kämpft. Wenn man bedenkt wie selten im Alten Testament der Geist Gottes auf Menschen fällt, findet hier etwas außergewöhnliches statt und ist dabei doch so trivial. Schwab öffnete mir die Augen für die Kompexität und die Kunstfertigkeit des Buches Richters. Der Autor berichtet zuverlässige Geschichte, aber er berichtet sie nicht so, wie wir das als Westler gewöhnt sind. So ist die Chronologie der Ereignisse unwesentlich, während die Richter selbst nach den Stämmen (12 an der Zahl, von jedem Stamm einer), und dann auch eher geographisch sortiert, besprochen werden. Den vor allem ungewöhnlichen und problematischen Kandidaten gilt dabei der besondere Augenmerk. Dass es mehr als unnatürlich ist, dass Bienen in einem toten Kadaver leben ist nur ein Hinweis darauf, dass das Volk Gottes im Land wo Honig fließt, umgeben von toten Heidenvölkern lebt. 

Begeistert las ich die Darstellung Ehuds. Als an der Rechten Hand behindert ist er als “Linkshänder” ironischerweise ein Nachkomme Benjamins (Benjamin bedeutet im Hebräischen “Sohn der Rechten Hand”). Eglon, der Moabiter wird als eine Witzfigur dargestellt. Fett und übergewichtig sitzt er auf seiner Toilette, die auch sein Thron ist. Der Name Eglon bedeutet übrigens weibliches Kälbchen (erinnert mich an das russische “Teljötschka”) eine offensichtlich offen homoerotische Herabwürdigung. Entsprechend als Kalb wird er auch “geschlachtet” (Im Sinne eines Opferrituals)und liegt schließlich wie ein großer Haufen Kot herum. Ehud flieht derweil “durch das Plumpsklo”. Stellt man sich dabei israelische hartgesottene Krieger vor, kann man sich vorstellen, wie prustend vor Lachen sie solche Geschichten hörten. Eine der vielen Absichten des Buches Richters wird deutlich: Das Volk Gottes muss zusammenhalten. Das Volk Gottes erschrickt im Unglauben übertrieben vor eigentlich lächerlichen Feinden. Die eigentliche Witzfigur ist ja das Volk Israel, dass vor übergewichtigen und kaum ernstzunehmenden Moabitern feige zurückweicht.

Überhaupt ist dem Richterbuch kein Wortspiel zu kurz. Debora ist die Biene und Barak ist als Blitz ihr Stachel. Das Jael als Bergziege Sisera endlich “besteigt” und besiegt ist dann kein Wunder. “Sag das kein Mann im Zelt ist” ruft Sisera noch Jael zu, kurz bevor er einschlaft. Wahrlich, der eigentliche Mann im Zelt war ja auch Jael. Wieder ist hier mit Milch (Bergziege, die Milch gibt) und Honig (von der Biene) ein klares Anspiel dafür gegeben, dass das Land Kanaan für die Feinde Gottes ein gefährliches Pflaster werden kann. Was für die einen Segen ist, wird für die anderen zum Fluch. Die Wortspiele gehen noch weiter. In ihrem Lied in Kapitel 5 besingen Barak und Debora Gott, der durch seine Vorsehung eine eigentlich aussichtslose Situation (Kampf auf einem Hügel gegen Streitwägen) zum Sieg wendet, in dem er ein Gewitter, eine Flut und ein Erdbeben sendet. Gott wirkte also bereits, als Barak noch zauderte. Im Matsch des  überquellenden Kidron werden Siseras Streitwägen dann nutzlos. Sehr passend kommt dann auch in diesem Gewitter der Blitz (= Barak) zum Einsatz

Die Stärke in Schwabs Kommentar ist die Besprechung von jeweils sechs Perspektiven zu jeder der Erzählungen. Er bespricht erstens die geschichtliche Situation: Was geschah wirklich. Die Zweite Perspektive ist die Perspektive, wie der Text in seiner pro-Juda-Sicht die Sache Davids förderte und ihm im Kampf gegen die Benjaminiten, während der siebenjährigen Herrschaftszeit Davids in Hebron half. Die dritte Perspektive ist der Zusammenhang zum fünften Buch Mose. Schwabs Kommentar half mir den engen Zusammenhang zwischen Richter und dem Fünften Buch Mose zu entdecken. Als viertes bleibt die Perspektive des Glaubens gemäß Heb. 11, als fünftes die Perspektive der Ermahnung nach 1. Kor. 10 und schließlich auch der eschatologische Ausblick eines vorzeitigen Gerichtes, denn die kanaanäischen Völker bereits schmecken. Dass Gott gerade im und durch das Gericht rettet, ist von Schwab meiner Meinung nach treffend ausgearbeitet.

Abschließend würde ich festhalten, dass die Pro-Juda – Kontra-Benjamin Sicht von Schwab zu stark künstlich konstruiert ist. Persönlich erkenne ich im Buch Richter vor allem am Stamm Ephraim deutliche Kritik (Denkt an Schibboleth!). Schwab übersieht meiner Meinung nach die Transition von der Führung Ephraims (durch Josua) zu Juda (durch David). Offen bleibt die Frage, warum die Leviten vollständig in den Hintergrund treten, und warum Dan, der einerseits den wichtigsten Richter stellt, schließlich das Heilige Land ganz verlässt. Zu kurz werden auch die letzten fünf Kapitel besprochen, die eigentlich die völlige Zersetzung Israels besprechen, das nun schlimmer wird, als die Heiden (wäre der Levit doch lieber in der Stadt der Jebusiter geblieben). Die “Kanaanisierung Israels”, also die völlige Hingabe an Götzendienst und Abfall von Gott kommen so zu kurz. Ungeachtet dieser Schwächen war dieser Kommentar sehr spannend und und kurzweilig zu lese, vor allem weil Schwab sehr viele Zusammenhänge auf kurzem Raum zusammenbringt und seine Darstellung mit zahlreichen Karten und graphischen Zusammenfassungen untermalt. Eine im ganzen wertvolle Ergänzung zu Timothy Kellers Kommentar. Nach diesen beiden eher einleitenden Kommentaren wage ich mich als nächstes nun an das Meisterwerk von D. Block. Hier spricht übrigens der Schwab selbst über sein Buch.

2 Kommentare zu „Right in Their Own Eyes“

  1. Danke Sergej für diese Rezension und den Hinweis auf solche fantastischen Bibelkommentare. Wann kommt endlich mehr davon auf deutsch?! Ich fürchte, dass dies nicht geschehen wird, weil sowas viel zu wenige Leute lesen würden.
    Habe mir diesen Kommentar direkt bestellt. Bin im Moment mit Jephtah im Ringen… Hoffe auf einige klärende Details, die ich bisher übersehen habe.
    Gott segne weiterhin eure Tätigkeit! Ich lese eure Newsletter seit einiger Zeit und habe schon einige Male Erhellendes gelesen und davon profitiert. Danke dir/euch!

  2. Danke Viktor für deinen Kommentar… Es gibt unterschiedliche Gründe, warum solche Werke nicht auf deutsch erscheinen. Ein Grund ist, dass Deutsche Verlage meist ein zu enges Spektrum überhaupt als “übersetzungwürdig” halten, meiner Meinung nach sowohl die konservativen, wie auch die etwas “lockereren” Verlage, man überlege z.B. welche Bandbreite Zondervan (mit der Counterpoints-Reihe) oder Inter-Varsity (mit der New Studies on Biblical Theology-Reihe von Carson) veröffentlichen… Auf Deutsch (aktuell zumindest) nicht denkbar.Sicherlich aber ein Gebetsanliegen.
    Ja bei Jephtah half mir der Hinweis mit der chiastischen Einbindung. Gerade Jephtah will unbedingt ein Erbteil haben (als Vestoßener), und dann verliert er es so tragisch…Mit Jephtah kann ich mich persönlich sehr sehr gut identifizieren… Übrigens habe ich den Kommentar von Schwab in meiner Logos-Bibliothek gefunden, als Teil der Reihe: “the Gospel according to the old testament” ist sie bestandteil meiner ich glaube Logos-Reformed-Gold Paketes gewesen…(https://www.logos.com/product/149320/gospel-according-to-the-old-testament-series und https://www.logos.com/product/52500/right-in-their-own-eyes-the-gospel-according-to-judges)

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