Alec Motyer mausert sich zunehmend zu meinem Lieblingsanglikaner. Auf den 2016 verstorbenen Theologen bin ich übrigens durch Tim Keller aufmerksam geworden, der Motyer nebst Clowney zu den Menschen listet, die ihn als Prediger am meisten geprägt haben. Motyer dürfte mit Sott und Packer zu den bedeutendsten Evangelikalen Anglikanern des 20ten Jahrhunderts zählen, ist aber offensichtlich in Deutschland nur wenig bekannt. Auf jeden Fall ist dieses kurze Werk (mit dem leider wenig ansprechenden Cover) eine wertvolle Hilfe nicht nur für angehende Prediger, sondern für jeden, der nach Wegen sucht, seinen Nächsten biblische Texte besser zu erklären. Trotz seiner Kürze bleibt das Werk sehr umfassend. Motyer legt sich nicht auf einen bestimmten Predigtstil fest und befürwortet sowohl Predigten über ganze Bibelbücher, über thematische Wortstudien oder über biblische Personen. Dabei bespricht er sechs Methoden, wie er vom Bibeltext zur Predigt kommt. Was er auf jeden Fall ablehnt ist, das man bloß nach einem biblischen Text sucht, der als “Sprungrampe” für ein Thema dient, welches man sich eigentlich schon längst ausgesucht hat, und das meistens nur wenig mit dem eigentlichen Text zu tun hat.
Etwas also, was sicherlich jeder schon zur Unmenge erlebt hat und was dringend anders gemacht werden sollte. Hier blickt der Autor auf über 50 Jahre Erfahrung als Prediger zurück und berichtet von zahlreichen persönlichen Begegnungen und Erlebnissen. Immer wieder wird deutlich, dass gute Predigt dazu führen wird, dass die Zuhörer motiviert werden, sich selbstständig mit der Bibel auseinanderzusetzen. Dadurch dass der Autor jedes seiner Schritte mit zahlreichen Beispielen (und Notizen) aus eigener Arbeit illustriert, wird deutlich, dass Motyer wirklich ein Mensch war, der “das Wort Gottes geliebt hat”. Das Buch schließt mit einer Reihe von wöchentlichen Lesetexten, die Motyer als tägliche “Lese-Hausaufgaben” im Rahmen seiner Predigten für seine Gemeinde erstellt hat.
Ein sehr ausgewogener, erfahrener und bewährter Blick auf ein Thema, das gerne vergeigt wird. Lasst es uns besser machen!
Nach diesem Buch habe ich mich auf weitere Werke von Motyer gestürzt, die mich in ihrer Qualität immer wieder überrascht haben, darunter ein ganz ungewöhnliches “Selbststudium-Handbuch” zum Alten Testament, ein Jesaja-Kommentar (ich habe den TOTC-Kommentar gelesen, aber Motyer hat auch einen Umfangreicheren verfasst und gilt im Allgemeinen als Experte für Jesaja) und ein Werk zur Christologie des Alten Testaments: Look to the Rock!
In Zukunft will ich meine Rezensionen regelmäßig mit “Lesematrizen” versehen, die weiterführende Literaturhinweise geben sollen. Fangen wir mit Motyer an:(bei zu kleiner Anzeige: Rechter Mausklick + Graphik anzeigen)