Vielleicht fragt sich so mancher treuer Besucher dieses Blogs, der das Buch Lit! A Christian Guide To Reading Books nicht mitliest, wann wir denn endlich mit dem Buch fertig sind. Erlaubt uns noch zwei Wochen, und dann wird der Schwerpunkt nicht mehr darauf liegen, wie man lesen soll, sondern auf dem Lesen selbst. Es werden sicher wieder Rezensionen geschrieben und verstärkt Bücher vorgestellt. Dennoch hoffe ich, dass auf die Artikel zu diesem Buch immer wieder zurückgegriffen wird. Und wer weiß, vielleicht erscheint diesen Buch irgendwann in deutscher Sprache…
Heute wenden wir uns dem 11. Kapitel zu: Ablenkungen. Wie Internetgewohnheiten das Bücherlesen lahmlegen. Das überall verfügbare Internet hat unser Leben radikal verändert. Diese These ist nicht neu. Über die Auswirkungen des Internets wird an vielen Stellen im Internet und in der Fachliteratur debattiert. Die meisten Internetuser kennen das Problem, doch ändert sich dadurch nicht viel. Noch schnell etwas gegoogelt, mal kurz etwas bei Wikipedia nachgeschlagen, zufällig ein Youtube-Video bei Facebook entdeckt und angeschaut, und dann noch geschwind zwei E-Mails beantwortet und schon ist wertvolle Zeit vergangen, in der man eigentlich ein Buch lesen wollte. Endlich hat man einen freien Abend, an dem man gemütlich ein Buch zu Ende lesen wollte, doch kaum hat man sich (im Internet) umgesehen, ist es Zeit, ins Bett zu gehen. Wer kennt das nicht? Wie schafft man es trotz Internet, Bücher zu lesen? Ist unser Gehirn überhaupt noch dazu in der Lage?
Tony Reinke meint, dass wenn es ums Bücherlesen geht, wir ständig zwischen Gegensätzen entscheiden müssen. Es sind vor allem vier entgegengesetzte Paare, die die Einstellung zum Lesen prägen.
1. Fragmentarisiertes Durchstöbern vs. kontinuierliches Verstehen
„Andererseits kann man nicht Bücher lesen ohne disziplinierte und anhaltende Konzentration aufzuweisen. Anstatt sich bruchstückhafte Informationen einzusammeln, müssen wir es lernen, intensive Denker zu werden, die hart arbeiten um zu verstehen.“
2. Reagieren vs. Resümieren
„Traditionell wäre es so, dass ein Leser sich ein Buch aussuchte und sich allein auf einen Lesestuhl setzte. Wenn man großartige Ideen vorfand, verinnerlichte der Leser sie und dachte darüber nach. […] Man könnte also sagen, dass traditionelle Leser mit einem Buch und mit Nachdenken beschäftigt waren. […] Das hat sich mit der sozialen Online-Interaktion geändert. Wenn wir jetzt auf einen Gedanken stoßen, der uns gefällt, neigen wir dazu, schnell zu reagieren, um diesen Gedanken mit Freunden in einer E-Mail, auf Facebook oder in einem Blog zu teilen.“
3. Problemloser Informationszugriff vs. langsam verdaute Lebensweisheit
„Die Fähigkeit wenige Bücher intensiv zu lesen, mit dem Ziel Weisheit zu erlangen, erfordert eine bewusste und antikulturelle Konzentration. Von allen Menschen, die im Informationszeitalter von Daten umgeben sind, sollten vor allem Christen sich die Zeit zum gediegenen Nachsinnen schützen und erhalten.“
4. Mit dem Kopf querlesen vs. sich mit dem Herzen erfreuen
„Um geistliche Wahrheiten tiefgründig zu empfinden [oder zu verstehen], müssen wir tiefgründig nachdenken. Und um tiefgründig nachzudenken, müssen wir tiefgründiger lesen. Und um tiefgründiger zu lesen, müssen wir aufmerksamer und nicht hastiger lesen.“
Tony Reinkes Rat ist ein ganz einfacher: Wenn du intensiv lesen willst, dann gehe offline. Hast du das schon mal probiert?
Meine Buchempfehlung zu dieser Thematik (in Englisch):
The Next Story: Life and Faith After the Digital Explosionvon Tim Challies
“Wenn du intensiv lesen willst, dann gehe offline.”
Genau das ist die Schwierigkeit eines Literatur-Blogs: die Leser zum – online – Mitlesen ermutigen, gleichzeitg aber darauf hinzuweisen, dass sie eigentlich besser offline gehen sollten… 🙂
Das Internet als Zeitverschwender ist für mich schon länger ein großes Thema. Momentan schaffe ich es, morgens zu surfen und dann wirklich abzuschalten. Die Facebook-User oder Email-Anfrager, die den ganzen Tag auf meine Antwort warten, müssen mir bis zum nächsten Tag einfach egal sein.
Ich werde nie den Ausspruch eines Arbeitskollegen vergessen: “Wenn der Computer mir Zeit spart, warum bin ich dann eigentlich immer später zu Hause?”
Schön muss es gewesen sein, als ein Brief mit der Postkutsche unterwegs war. Solch ein Brief hatte noch Bedeutung und Gewicht. Und zwischen den Briefen hatte man genug Zeit, Bücher zu lesen und nachzusinnen.
PS: “Erlaubt uns noch zwei Wochen…” Eigentlich ein Widerspruch zu 3., oder? Für die Buchbesprechung kann ich nur danken, das Buch ist mir ein echter Gewinn und die Beiträge auch gerade für die wertvoll, die das Buch nicht lesen können aber hier eine Zusammenfassung geliefert bekommen.
Rami, als ich gestern den Beitrag schrieb, habe ich mich auch schlecht gefühlt. Einerseits versuchen wir Leser für den Blog zu gewinnen, andererseits sollen sie lieber ein Buch zur Hand nehmen und sich darin vertiefen. Paradox und komisch… Aber vielleicht schaffen wir es ja, die Besucher vom Computer hin zum Buch zu bewegen. Wenn uns das nicht gelingt, sollten wir mit diesem Blog aufhören.
Die meiste Zeit des Tages offline zu verbringen, schaffe ich leider nicht so gut wie du. Aber ich bin auf dem Weg der Besserung. Das Buch von Tim Challies
und “Ohne Netz: Mein halbes Jahr offline” von Alex Rühle haben mir mein Internetnutzungsverhalten glasklar vor Augen geführt. Man will es sich ja nicht eingestehen, wie viel Zeit man online verbringt…