Leserunde: Lit! A Christian Guide To Reading Books (II)

Wir lesen gemeinsam das Buch Lit! A Chris­tian Guide To Rea­ding Books. Ich schreibe zu jedem Kapitel eine Zusammenfassung, so dass jeder in die Diskussion einsteigen kann.

Nach den ersten beiden Grundlagenkapiteln lenkt Tony Reinke unseren Blick im dritten Kapitel auf die größte Konkurrenz des Buches: das Bild. Die Überschrift lautet: “Lesen ist glauben. Wie man in einer Augenschmaus-Kultur Bücher genießt.” Die Zeit der bilderlosen Zeitungen ist längst vorbei. Es gibt wohl keine Zeitung und kein Magazin, das ohne Bilder auskommt. Bei andere Medien, wie z.B. beim Fernsehen, bei Filmen, Videospielen, Videobanden zu Werbezwecken und andere Formen des animierten oder bewegten Bildes kann man zu Recht sogar von einer Bilderflut sprechen. Das Bild im weiteren Sinne steht längst nicht mehr als Ergänzung zum Wort, sondern ist eine ausgeprägte Konkurrenz zum Wort. Diese Konkurrenz hat leider nicht immer erfreuliche Nebenwirkungen. Der Medienwissenschaftler Neil Postman sagte treffend über das Fernsehen: “Fernsehen wurde nicht für Idioten erschaffen – es erzeugt sie.” Tony Reinke möchte in diesem dritten Kapitel aus biblischer Sicht über die Gefahren des Bildes nachdenke. Er schreibt in seinen einleitenden Zeilen:

In diesem Kapitel möchte ich über Bilder, Bücher und das Leben nachdenken. Was verlieren wir, wenn wir Bücher ignorieren? Und was verlieren wir, wenn wir unser Leben für die nächsten zwanzig Jahre mit Unterhaltungssendungen, Filmen, ESPN [ein amerikanische Fernsehsender der ausschließlich Sportprogramme ausstrahlt], Videospielen und Internet ausfüllen? Was werden wir gewinnen, wenn wir die nächsten zwanzig Jahre unseres Lebens mit diszipliniertem Lesen füllen? In diesem Kapitel geht es um Bilder und Bücher, aber insbesondere um den Verlauf unseres Lebens. (S. 40)

Zunächst untersucht er anhand der Bibel, was eigentlich auf dem Spiel steht. Lange vor den Massenmedien und der Informations- und Bilderflut lebte das Volk Israel in einer Umgebung, in der Bilder eine wichtige Rolle spielten. In und um Kanaan herum dienten die Völker Götzen, also von Menschen gemachten Bildern aus Stein und Holz. Aber Israel sollte sich von diesem Bilderdienst fernhalten. In den Zehn Geboten tut Gott kund: “Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen” (2Mo 20, 4). Diese Forderung Gottes war damals etwas Besonderes und auch Einzigartiges. “In einer Welt der sichtbaren Götzen wollte Gott sein Volk mit Worten von seinen Lippen führen – mittels Sprache, durch das geoffenbarte Wort” (S. 41). Es fiel dem Volk Israel nicht leicht, sich nur mit Worten zu begnügen. Ich stelle mir die Frage: Bin ich bereit mich damit zu begnügen?

Und jetzt wird es spannend. Tony Reinke ist nämlich überzeugt, dass Worte nicht nur genügen, sondern dass sie auch besser dazu geeignet sind, Sinn und Bedeutung zu kommunizieren. Er hat dafür vier Gründe herauskristallisiert:

1. Sprache erfasst am besten den Sinn der sichtbaren Realität

Tony Reinke zitiert Os Guinness, der diese These am besten zusammenfasst: “Die sichtbare Welt, das, was das Auge wahrnimmt, führt uns nicht hinter das Sichtbare, weil das Sehvermögen nicht weiter reicht; es bedarf der Worte und Gedanken, um die tatsächliche Wahrheit und Bedeutung hinter dem Sichtbaren zu vermitteln” (S. 45).

2. Sprache vermittelt am besten unsichtbare Realität

Die Katholische Kirche meinte lange Zeit, dass “Bilder die Bücher für die Ungebildeten seien.” Doch ersetzen Bilder niemals das Wort, sei es das hörbare und gepredigte oder das schriftliche Wort. “Nur Worte sind gut genug für die unsichtbaren Realitäten Gottes. Aus diesem Blickwinkel heraus, war die Reformation ‘eine Wiederentdeckung der biblischen Zentralität des Wortes'” (S. 46).

3. Sprache nährt am besten unsere ewige Hoffnung

“Glaube benötigt die Sprache. […] Bilder können zwar unsere Aufmerksamkeit gewinnen, Emotionen wecken und uns lebenslang Freude an einer Gott verherrlichenden Schönheit vermitteln. Aber wir brauchen eine Offenbarung und eine Sprache, um göttliche Verheißungen zu empfangen” (S. 46).

4. Sprache ermöglicht eine Weltanschauung

“Tausend aneinander gereihte Bilder können ein Landschaftspanorama enthüllen, aber sie können keine Weltanschauung einfangen. […] Nur die Sprache macht es uns möglich, eine zusammenhängende Weltanschauung zu entwickeln, zu verstehen und zu vermitteln” (S. 47).

Fazit

Ich glaube, dass keiner sich eine Welt ohne Bilder wünscht. Sie sind eine geniale Ergänzung des Wortes. “Mit Worten kann man Bilder erklären und Bilder können Worte illustrieren.” Da aber der Christ im Glauben und nicht im Schauen wandelt ist er abhängig vom Wort. Ein Leben im Glauben ist ein Leben auf der Grundlage des Wortes Gottes. Wenn es um den Glauben geht, ist ein Bild eben nicht mehr wert als tausend Worte. Wir kommen also um das Lesen der Bibel und guter Literatur nicht herum.

Oft hört man das Argument: Ich schau mir lieber den Film zum Buch an, anstatt das Buch zu lesen. Tony Reinke hat mir für solche Gespräche einige Argumentationshilfen gegeben. Gleichzeitig dachte ich einen Artikel von Hans-Werner Deppe, in dem er eine Anwort gibt auf die Frage, ob Jesus-Filme Götzendienst sind.

3 Kommentare zu „Leserunde: Lit! A Christian Guide To Reading Books (II)“

  1. Hallo Eddi,

    ich bin heute mit dem Lesen des Kapitels fertiggeworden. Die zentrale Aussage steckt für mich in dem Zitaten auf. S. 41 und S. 45, die du auch oben wiedergegeben hast. Gott nutzt Worte, um sich zu offenbaren und keine Bilder. Damit setzt er einen Gegentrend zur Religiosität der anderen Kulturen. Gott wird nicht greifbar und vollends verfügbar. Damit bleibt der Gottesbegriff stückweit abstrakt, weil Gott nicht durch ein Bildnis “anfassbar” ist. Auf der anderen Seite gibt es keine größere Art eine Beziehung zu Menschen zu bauen als durch Worte.

    Zwei Überlegungen sind mir beim Lesen des Textes gekommen: Erstens, beim Abschnitt “die Sprache erfasst am besten den Sinn der sichtbaren Welt”. Hin und wieder geht es mir so, dass ich durch Bilder oder Szenen unsere Welt besser verstehe und an ihr partizipieren kann. Ich denke bspw. an den Tsunami in Japan. Als ich die Bilder sah, wie diese riesige Flutwelle ganze Landstriche weggespülte, war ich zutiefst betroffen. Hätte ich jedoch nur darüber gelesen, wäre meine Betroffenheit nicht derartig ausgefallen. Dies liegt – wie oben erwähnt – am Unterschied zwischen dem Konkreten (“Anfassbaren”) und dem Abstrakten. In diesem Fall wäre das Lesen bzgl. der Katastrophe eher abstrakt und die Bilder “anfassbar”. Ähnlich ist es beim Lesen von gewissen Szenen: Wenn Tolkien in der Herr der Ringe Landschaften beschreibt, kann ich mir diese nicht so gut vorstellen (ähnlich bei Karl May seine Personenbeschreibungen). Deshalb hilft mir der Film, solche Dinge zu erfassen.

    Die zweite Überlegung ist, dass ich hin und wieder das Gefühl gehabt habe, dass er die Idee mit der Sprache überreizt. Der Sinn der 10 Gebote im Gegensatz zu einer Figur war, dass damit die Figur nicht zu einem Gott erhoben wird. Gott will nicht das Geschaffenes als Schöpfer verstanden wird. Der Schöpfer liegt kategorisch außerhalb der Schöpfung. Darum nutzt Gott einen anderen Weg.
    Was ich meine ist, dass im Wort “Images” vieles enthalten sein kann: ein Bildnis (z. B. eine geschaffene Figur), ein Bild, ein Film oder eine “Idee”. Denn so können bspw. Filme eine Idee oder Aussage transportieren.
    Gott will nicht durch einen Götzen repräsentiert werden, d.h. aber noch lange nicht, dass Gott etwas gegen Bilder hat. Es ging um diese Gegenständlichkeit des Gottes! Ich könnte mir vorstellen, dass die ganze Szene um die 10 Gebote damals verfilmt werden hätte können, solange Gott dadurch nicht manifestiert wird (- etwa eine Stimme aus dem Off). Damit würde Bild und Wort vereint werden. Hauptsächlich soll die Unverfügbarkeit Gottes gewahrt bleiben, und diese wäre durch ein Abbild nicht möglich gewesen.
    (Leider bekomme ich meinen Gedanken nicht so gut auf den Punkt…)

    Zwei Textstellen konnte ich mir nicht genau erschließen; vielleicht könnte jemand diese übersetzen: S. 43 letzter Satz; S. 45 letzter Satz

  2. Gute Zusammenfassung, danke dafür! Ich fand das Kapitel besonders hilfreich und wir sollten jeder für uns grundsätzlich überlegen, ob wir dem Fernseher oder dem Buch den Vorzug geben – hier wird es herausfordernd… 🙂

    Allerdings meine ich auch, dass Gott nichts gegen Bilder hat, solange sie nicht angebetet werden. Wir nutzen zB den Jesus-Film von CCC und die Bilder von NTM als Hilfe, dass auch Menschen mit Migrationshintergrund und schlechten Deutschkenntnissen der einfachen Botschaft folgen können. Nicht als Ersatz, sondern als erste Hilfe, um dann tiefer in den Bibeltext einzusteigen. Ein Verbot von Bildern zB in der Evangelisation halte ich für übertrieben.

  3. Die Übersetzung der letzten beiden Sätze auf S. 43 und 45 könnte ungefähr so lauten:
    “Es geht vor allem darum, ob Christen (wie wir) geduldig genug sein werden, die in Worten eingeschlossene Bedeutung herauszufinden, oder ob wir uns mit den oberflächlichen Vergnügungen zufrieden geben, die uns die schnell wechselnden Bilder in unserer Kultur anbieten.”

    “In Wirklichkeit haben Bilder die Unwissenheit der Analphabeten bezüglich der ewigen Wahrheiten weiter aufrechterhalten.”

    Nun kurz zu deinen Anmerkungen Dovep: Ich hatte beim Lesen auch zeitweilig den Eindruck, dass Reinke übertreibt. Vielleicht war es Absicht und es ist meiner Meinung auch nötig, die Sache etwas zu überspitzen. Die Dominanz von Bildern in verschiedenen Formen lässt sich nicht leugnen. Mit allen Vorteilen die damit verbunden sind (wie dein Beispiel mit dem Tsunami), werden die Gefahren oft unterschätzt. Man sollte allerdings weder auf die eine noch auf die andere Seite des Pferdes fallen. Inwiefern Filme oder Bilder einen Text adäquat und möglicherweise besser veranschaulichen, bin ich mir nicht sicher. Ich denke, dass auf Bilder durchaus verzichtet werden kann, wenn man es versteht mit Sprache umzugehen und sie zu deuten. Dafür benötigt man allerdings eine gute Portion Geduld und etwas Übung, die vielen immer mehr abhandenkommt.

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