“Lasset eure Bitte im Gebet vor Gott kundwerden”

In meiner Bibliothek findet sich schon länger ein Band mit dem Titel “Seelsorge” vom bekannten Liederdichter und Pfarrer der württembergischen Erweckungsbewegung Johann Christoph Blumhardt. Tatsächlich habe ich mich bisher gescheut zu diesem Band zu greifen, weil ich eine “inflationäre Verwendung schönfärberischer Adjektive”, Sentimentale Nostalgie oder überschwengliche Begeisterung fürchtete. Aber Blumhardt redet Klartext, ist super verständlich und behält doch eine gewisse Poesie in seinem Schreibstil bei. Ein Auszug aus vielen sehr guten Gedanken zum Thema Gebet:

“Nun heißt es aber weiter: Lasset eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden. Das ist ein schönes Wort. Es gibt oft Leute, die beten so, als ob der liebe Gott doch nichts nach ihnen frage und sie im Stich ließe, daher mögen sie keine besonderen Bitten mehr aussprechen und noch viel weniger eine Danksagung kundwerden lassen. Das ist aber eine böse Sache, wenn der Herr nie hören darf, Er habe einem auch schon viel Gutes getan und wunderbar geholfen. Wenn die Wohltaten Gottes übersehen werden vor lauter Bitten und Seufzen und Schreien, so gefällt das dem Heiland nicht. Es ist gerade so, wie wenn jemand, dem ich schon oft geholfen habe, mich immer wieder so verzweifelt anbettelt, als hätte ich ihm noch nie etwas Gutes getan; das tut einem weh; und so dürfen wir uns auch wohl dessen dankbar erinnern, was der Herr uns schon Gutes getan hat. Unter dem Danken wird es einem leicht, unter dem Danken kann man erst recht bitten. Es gibt einfältige Leute, besonders Kinder, an denen kann man viel lernen, wie man bitten und wie man danken soll. Wenn die kleinen Kinder beten, da können sie im Augenblick, wo sie anfangen, schon denken, der Heiland sie, da, und wenn sie Ihm sagen: Bitte, tue das! so wisse Er es jetzt und habe es gehört und sind glückselig. Ein Kind kann sich auch etwas abschlagen lassen und kommt das nächste Mal doch wieder zum Vater und bittet und erwartet etwas vom Vater. Aber die großen Leute, die tun immer, als wenn der liebe Gott doch nicht hörte, sie glauben nicht, und darum kommt es auch nie zu einer Danksagung. Warum? Sie stellen sich beim Beten nicht vor Gottes Angesicht; der Heiland ist ihnen nicht klar vor Augen, sonst müßten sie schon nach dem ersten Sätzchen, nach der ersten Bite sich beruhigt fühlen, im Gedanken: ich habe mein Angeliegen jetzt an den rechten Ort gelegt, jetzt wird der Heiland die Sache in die Hand nehmen und für mich sorgen.”


Aus J.C. Blumhardt, Seelsorge.

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