Heute wollen wir gemeinsam Kapitel zwei des Buches Gott erkennen von James I. Packer betrachten.
Kapitel zwei fängt mit einer interessanten Begebenheit aus dem Leben des Autors an:
Es war ein herrlicher Sommertag, und ich machte einen Spaziergang mit einem Studenten. Dieser hatte soeben seine Chancen für eine akademische Laufbahn durch eine Auseinandersetzung mit den kirchlichen Würdenträgern über die Lehre vom Evangelium der Gnade praktisch verwirkt. “Aber das spielt keine Rolle”, sagte er nach einer Weile, “denn ich habe Gott erkannt und sie nicht.”
Was in Kapitel eins bereits angedeutet wurde, führt der Autor weiter aus. Es geht um Erkenntnis Gottes und nicht um bloßes Wissen über Gott:
Wir mögen so viel über Gott in Erfahrung bringen wie Calvin – und das werden wir früher oder später, wenn wir Calvins Werke sorgfältig studieren -, und doch werden wir dadurch kaum zu wahrer Gotteserkenntnis gelangen.
Man kann also nicht nur ein breites theologisches Wissen ansammeln, sondern auch zahlreiche praktische und seelsorgerliche Erfahrungen, ohne dabei Gott tatsächlich zu kennen.
Am Beispiel des Propheten Daniel führt Packer aus, welche Folgen es hat, wenn man Gott erkennt: Wer Gott erkennt, erhält den Mut, für Gott einzustehen. Menschen, die Gott kennen, sind in der Lage “Heldentaten” für ihren Herrn zu vollbringen. Wer Gott erkennt, denkt groß von ihm. Im Vergleich zu Gott waren die größten Könige der Zeit Davids, wie Darius und Nebukadnezar, nur schwache Menschen. Das Buch Daniel ist voll von der Größe Gottes. Wer Gott kennt, riskiert für Gott alles. Es war Sadrach, Mesach und Abednego egal, wie die anderen Juden mit dem Standbild Nebukadnezars umgingen. Sie wussten um ihre persönliche Verantwortung vor Gott. Schließlich findet jeder der Gott erkennt seinen Frieden. Die drei Freunde Daniels verlieren auch vor einem drohenden glühend-heißem Ofen nicht ihren Mut oder ihre Zuversicht im Herrn.
Packer führt aus, dass wir an diesen vier Punkten auch in unserem Leben erkennen können, wie weit wir in der Erkenntnis Gottes gewachsen sind. “Haben wir das Verlangen nach solch einer Gotteserkenntnis?”
Kapitel zwei stellt dem Leser die Frage, ob wir Menschen sind, die Gott kennen. Als Leitverse wähle ich Daniel 2,20-23:
Gepriesen sei der Name Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit! Denn die Weisheit und die Stärke, sie gehören ihm.
Und er ist es, der Zeiten und Fristen wechseln lässt, er setzt Könige ab und setzt Könige ein. Er gibt Weisen die Weisheit und Verständigen den Verstand.
Er ist es, der das Tiefe und das Verborgene enthüllt; er weiß, was in der Finsternis ist, und bei ihm wohnt das Licht.
Dich, Gott meiner Vorfahren, preise und lobe ich, dass du mir die Weisheit und die Stärke gegeben hast und mich nun hast wissen lassen, was wir von dir erbeten haben …
Zusammen wollen wir Frage sieben beantworten: “Weshalb ist unser Gebetsleben der beste Beleg für unsere rechte Vorstellung von Gott?” Denke einmal über dein Gebetsleben während des zurückliegenden Tages oder in der vergangenen Woche nach. Welche Vorstellung von Gott hat deine Gebete geprägt?
Immer wieder stelle ich fest, dass ich einen falschen Zugang zum Gebet habe. Oftmals bete ich in der Art, dass ich eine Art Wunschliste formuliere: Herr schenk Gesundheit, bewahre meine Kinder, hilf bei den Prüfungen, gib Arbeit etc. Obwohl Bitten ein Bestandteil des Gebets ist, sollte es nicht nur dabei bleiben. Leider bleiben bei mir Dank und vor allem Anbetung und das reine Gespräch mit dem Herrn oftmals auf der Strecke.
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• Gebet ist in aller Regel etwas Privates / Persönliches. Keiner weiß und sieht etwas davon. Wir geben i.d.R. keinem darüber Rechenschaft ab.
• Gebet wird als Vortrag von Wunschlisten verstanden (leider auch oft von mir).
• Während meinen Gebeten komme ich immer wieder zu üblichen Aussagen / Bitten, die ich häufig verwende. Das wird „statisch“ bzw. steif, obwohl eine lebendige Beziehung nie von stereotypen Aussagen geprägt ist.
• Der Anteil von Lob und Anbetung ist oft (bei mir) recht kurz, weil ich mir zu wenige Gedanken über Gott mache. „Wer Gott erkennt, denkt groß von ihm“ (Packer, S. 32) Dieser Punkt kommt daher oft zu kurz.
Vielen Dank für diesen Kommentar
Danke Sergej, für deine treffenden Worte zum 2. Kapitel und danke Leser85 für deinen Kommentar, der mir leider auch sehr aus der Seele spricht…
Ich muss zugeben, dass meine letzten Tage leider eine sehr einseitige Gebetsausrichtung zeigten. Was mich ehrlich gesagt sehr betrübt, auch wenn ich es gut erklären kann. Normalerweise ist mein Gebetsleben stark davon geprägt, nach Gottes Führung zu fragen und mein Leben ihm anzuvertrauen – obwohl ich auch da nicht aufrichtig und selbstlos genug bete, sondern immer wieder mit gewissen Erwartungen ins Gebet gehe. So, als ob ich es besser wüsste als Gott. Das Verblüffende ist nur, dass, sobald ich die Erwartungenshaltung ablege, ich wieder ein Stück des Friedens zurückgefinde und ruhig bin, obwohl – oder gerade weil! – die Ungewissheit hinsichtlich meiner Zukunft wächst. Ich denke, dieses Gebetsverhalten kommt aus einem Bild Gottes als wohlwollender Herr und Hirte, der mir gnädigerweise den Weg zeigt. Aber nur einen Schritt nach dem andern.
Aber wie gesagt, in den letzten Tagen sah das anders aus. Ich sah mich gedrängt, eine neue „Urgent“-Gebetsliste einführen, um im Gebet für ein paar Freunde zu bleiben, die momentan eine sehr harte, oft lebensbedrohliche Zeit durchmachen. Es mag ja schön sein, täglich für bestimmte Menschen zu beten, aber zwei falsche Gottesbilder werden dadurch entlarvt:
a) Gott als Zuhörer, nicht als Sprecher. Das Fürbittegebet kann schnell zu einer Art Einbahnstraße werden. Ich spreche mit Gott und nicht Gott mit mir. Und das, obwohl wir doch im Gebet so viel mehr von Gott erfahren könnten. Z.B. Gottes Größe in der Anbetung, wie es Leser85 schreibt oder die stille Reflexion über Gottes Wort und das Horchen auf unser Gewissen.
b) Gott in Passivität, nicht in Aktivität. Ich vergesse über dem Fürbittegebet, Gott über mein eigenes Leben zu befragen. Und das ausgerechnet jetzt, wo ich mir berufsbedingt so viele Gedanken über die anstehenden Schritte mache. Wieso zeige ich eine hohe persönliche Aktivität, aber wenn ich ins Gebet gehe, sind Herz und Verstand auf einen passiven Gott eingestellt? Gott muss Herr über jeden meiner Gedanken bleiben, sonst kommt auch mein Fürbitte-Gebet von unreinen Lippen.
Es gab außerdem mehrere Textpassagen, die mich am 2. Kapitel faszinierten. Ich will davon nur eine rausgreifen:
Packer schreibt, dass Daniels Widerstand gegen das Gesetz des Königs Darius kein Querdenken war, sondern ein Kämpfen für Gott:
S. 31
„Es ist vielmehr so, dass diejenigen, die ihren Gott kennen, sensibel auf Situationen reagieren, bei denen Gottes Wahrheit und Ehre unmittelbar oder mittelbar auf dem Spiel stehen.“
Eine der beunruhigendsten Tatsachen in meinem Glaubensleben ist, dass ich in 95% der Fälle kein Problem habe, für Christus einzustehen, wenn ich es für weise und richtig halte. Doch die anderen 5% sind Fälle der Unmöglichkeit, wo mir schon der bloße Gedanke Angst einjagt. Und das Traurige ist, dass ich genau weiß, woran es liegt. Die 5% beziehen sich auf Situationen, in denen ich mich meinem Gegenüber intellektuell stark unterlegen fühle und es wichtig ist, dass er/sie eine hohe Meinung von mir hat. Da, wo ich alle meine Schwächen zu verbergen habe, verberge ich auch den Inhalt meines Glaubens. Denn, was ich als meine größte Stärke ansehe (Christus), wäre für sie meine größte Schwäche (Irrationalismus).
Doch Daniel erwies am babylonischen Hof unter den höchsten Gelehrten seinem Herrn unbedingte Treue. Wie ich diesen Mann bewundere…