Ein aufrichtiger Zweifler

Bei der Glaubensstimme fand ich diese Predigt Fritz Bindes zu Joh 1,43-51, der ersten Begegnung Jesu mit seinen späteren Jüngern Philippus und Nathanael.

Mit der Überschrift hat Binde bereits sein Anliegen dieser Predigt umrissen: Die Wandlung des Nathanael vom Zweifel zum Glauben. Binde arbeitet gut den inneren Konflikt Nathanaels heraus, der ja durchaus auf “Argumenten” baut:

Seine Zweifel sind ihm nie wertvoller Besitz, dessen er sich freut und rühmt. Nimmermehr scheinen sie ihm Ziel seines Denkens und Suchens, sondern immer nur bedauerliches Hindernis auf dem Wege (Kindle Position 69)

Nein, nein, der aufrichtige Zweifler zweifelt nicht, um zu zweifeln! Es geht ihm nicht um seine Zweifel, sondern um die zu findende Wahrheit! (87)

Und kühl antwortet der aufrichtige Zweifler Nathanael: „Was kann von Nazareth Gutes kommen?“ Mag sein, daß Nathanael damit sagen wollte: „Was kann aus solch einem verborgenen, kleinen Nest kommen?“ Sicherer aber ist, daß er kühl in Schriftnüchternheit meinte: „Nazareth besitzt keine Verheißung, uns den Messias zu bringen!“ Dieser Einwand war völlig berechtigt, dieser Zweifel biblisch begründet. Nazareth wird im Alten Testament nicht einmal dem Namen nach erwähnt, wie viel weniger als Geburts- oder Heimatsort des Messias genannt. Nathanael hatte also vollen biblischen Grund, einen Jesus, Sohn Josephs von Nazareth, als angeblich gefundenen Messias abzulehnen. (89)

Freimütig und doch irrig hatte Philippus von Jesus gezeugt, und freimütig und doch irrend hatte Nathanael die Kunde von Jesus bezweifelt. (104)

Das eine ausführliche Diskussion darüber, ob den nun Nazareth als Heimatstadt Jesu doch irgendwie möglich ist, kaum zum Ziel geführt hätte, liegt auf der Hand:

Jetzt hält einer einen sogenannten apologetischen Vortrag, in dem er sich bemüht, mit Gründen der Menschenweisheit für die Wahrheit der Bibel, den „geschichtlichen Jesus“ oder das Dasein Gottes zu streiten. Die menschlichen Vernunftgründe, die er anführt, leuchten seinen Hörern ein, die Leute stimmen der Rede zu und gehen, von der sogenannten „christlichen Weltanschauung“ beeinflußt nach Hause. Für den nächsten Abend ist ein gegenteiliger Vortrag angekündigt. Natürlich müssen sie als Gebildete, die ja in keinem Falle hinter der Kultur zurückbleiben dürfen, auch diesen Vortrag hören. Dort wird genau das Gegenteil von dem gesagt, was sie gestern Abend hörten. (138)

Binde verpasst dem unaufrichtigen Zweifler ein paar aufrichtige Seitenhiebe:

Der unaufrichtige Zweifler streitet, um zu streiten. Löse ihm auf dem Wege vernunftgemäßer Auseinandersetzung hundert Zweifel, sofort hat er tausend neue. (250)

Andere haben das ja auch nicht getan! Goethe und Schiller waren ja auch nicht streng bibelgläubig! Und Professor X, der so kluge und liebenswürdige Herr, ist’s ja auch nicht! (303)

Trotz dieser guten Ausführungen ist Binde gelegentlich mit Vorsicht zu genießen! Allzu pietistische Gedichte werden eingeschoben,

Wir armen Menschenkinder Sind eitel arme Sünder, Und wissen gar nicht viel. Wir suchen viele Künste Und spinnen Luftgespinste, Und kommen weiter von dem Ziel. (323)

und schließlich auch eine zu große Skepsis vor “Denken”, als wäre es angebracht Denken und Leben zu trennen. Als wäre Denken immer böse und Fühlen immer gut.  Ich denke hier verkauft sich Binde einfach selbst zu sehr unter seinem eigenem Niveau. Sehr ausführlich schildert er den inneren Konflikt eines “Wissenschaftlich Denkenden”:

Ich kann nicht vergessen, wie einmal ein gebildeter Zweifler als aufrichtig gewordener Zweifler zu mir kam und Philippusdienst bedurfte. (…) Sein „wissenschaftliches Denken“ krümmte sich wie ein getretener Wurm. Unbedingt wollte er erst begrifflich-logisch verstehen und dann glauben lernen. Ich mußte ihm sagen, daß sein Bemühen gänzlich vergeblich sei; auf wissenschaftlichem Wege habe sich noch nie ein Mensch bekehrt. Bekehrung sei nur möglich auf dem Wege des Bankrotts als Durchgang eines armen, verlorenen Sünders durch die „enge Pforte“, wo man allem absagen müsse, auch dem eigenem Denken. Er solle aber nicht bange sein um seinen kostbaren Verstand; denn in Wahrheit brauche er gar nicht „das Opfer seines Verstandes“, sondern nur das Opfer seines Unverstandes, (…). Als er sich nassen Auges und befreiten Herzens von den Knien erhoben, wo er sich betend seinem gefundenen Retter und Herrn hingegeben hatte, und nun bedauerte, mir so viel Mühe gemacht zu haben, konnte ich doch nicht unterlassen, ihm zu sagen: „Ja, hätte ich es jetzt an Ihrer Statt mit einem einfachen Menschen zu tun gehabt, so wäre vielleicht alles in fünf Minuten getan gewesen; aber der Segen der Bildung ist, daß es zwölfmal länger gedauert hat, ehe Sie als ein Armer im Geiste in Christo reich zu werden vermochten!“ Da sah er mich ganz bedenklich an und meinte zaghaft: „Ja, demnach wäre ich ja zwölfmal dümmer hierhergekommen als sonstige Leute!“ „Es wird nicht viel darum gefehlt haben, Herr Doktor!“ war meine Antwort. (Ab Pos. 330)

Download als pdf in der Lesekammer.

Hinterlasse einen Kommentar!

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Nach oben scrollen