Viele können mit dem Calvinismus nichts anfangen. Andere freuen sich darüber, dass der Calvinismus in Deutschland immer mehr an Akzeptanz gewinnt. Was aber ist der “Neue Calvinismus” und welche führenden Personen sind damit gemeint? Muss davor gewarnt werden? Oder sollte man sich darüber freuen?
E.S. Williams hielt auf der diesjährigen School of Theology im Metropolitan Tabernacle in London zwei Vorträge über die Neuen Calvinisten. Diese Vorträge hat der Betanien Verlag vor Kurzem als Broschüre herausgegeben. Dies ist ein mutiger Schritt, weil in dieser Schrift zwei berühmte amerikanische Pastoren und Autoren kritisiert werden, die in den letzten zwei Jahren Deutschland mit ihren Vorträgen besuchten. Die Rede ist von Tim Keller der 2011 Vorträge in Berlin hielt und John Piper, der dieses Jahr in Hamburg auf der Evangelium21-Konferenz sprach. Beide Personen werden in Deutschland durch ihre Bücher immer populärer. Beide sind neben Mark Discroll und Albert Mohler die führenden Personen der neuen Calvinisten in den USA. Doch längst nicht nur dort ist ihr Einfluss auf die Christenheit enorm. Wer deren Webseiten untersucht, stellt fest, dass sie weltweit aktiv sind.
Wenn diese führenden Personen sich auf den Calvinismus berufen, so fühlen sie sich u.a. mit John Calvin, Jonathan Edwards, Charles Spurgeon und mit den Puritanern verbunden. Und gerade hier setzt die Kritik von Williams ein. Er erklärt in dieser kurzen Schrift, dass die Neuen Calvinisten sich sowohl von der Lehre als auch vom Lebenswandel der Puritaner immer weiter entfernen. Wenn das stimmt, dann muss man beim Lesen ihrer Bücher und Blogs und beim Hören ihrer Vorträge, die Augen offen halten und wachsam sein, um nicht einem Irrtum zu verfallen.
Wo liegen die Gefahren beim Neuen Calvinismus und seinen Vertretern? Williams nennt vier Eigenschaften dieser Bewegung:
- Ein leichtfertiger und ehrfurchtsloser Umgang mit der Heiligen Schrift.
- Ein ökumenischer und offener Umgang mit falschen Lehren, Gemeinden und Organisationen.
- Ein Verlangen nach weltlicher Anerkennung und Kulturrelevanz.
- Ein sozialer Aktivismus wird gefördert.
Williams hat diese Eigenschaften bei den meisten führenden Neo-Calvinisten gefunden und belegt sie mit öffentlich einsehbaren Quellen. Seine Argumente sind nicht aus der Luft gegriffen. Leider muss der Autor in diesem Zusammenhang auch vor der Gospel Coalition und ähnlichen Organisationen warnen. Und ich muss betonen, dass die wichtigsten Kritikpunkte nicht Gewissensfragen betreffen (nach Röm 14), sondern die Grundlagen biblischer Lehre. William wundert sich, dass die Neuen Calvinisten gerne Edwards, Spurgeon und die Puritaner zitieren, aber kaum einer sich zum Westminster oder dem Baptistischen Glaubensbekenntnis von 1689 bekennt. Doch nicht diese Personen und auch nicht die Glaubensbekenntnisse sind die Messlatte für Glauben und Leben, sondern die Heiligen Schrift allein. Jede neue Bewegung und ihre Vertreter müssen sich an der Schrift überprüfen lassen. Am wenigsten braucht die Gemeinde unseres Herrn Jesus Christus Menschen die das Heilige mit dem Profanen verbinden.
“Wenn diese Art von Calvinismus Verbreitung findet, dann wird wahrhaftige biblische Frömmigkeit Angriffen ausgesetzt sein wie nie zuvor. […] Aber es bahnt sich Unheil an, wenn diese Form von Calvinismus Verbreitung findet.”
Im Büchershop des Metropolitan Tabernacle in London wird man keine Literatur von den Neuen Calvinisten finden. Im englischsprachigen Raum gibt es aber auch genügend Bücher von Autoren aus Vergangenheit und Gegenwart, die in Lehre und Leben gesund und ausgewogen sind. Das trifft auf den deutschen christlichen Büchermarkt so nicht zu. Deswegen ist dieser Hinweis des Betanien Verlages zu beachten:
“Mit dieser Broschüre möchten wir dazu anregen, einige lehrmäßige Inhalte und Praktiken der so genannten New Calvinists zu hinterfragen, aber keineswegs alle erwähnten Personen, Autoren oder ihre Bücher in Bausch und Bogen verurteilen. Manche Autoren wie John Piper sind u.E. durchaus ambivalent zu betrachten und das Gute aus ihrer Feder sollte nicht in Abrede gestellt werden. Wir trauen unseren Lesern so viel Differenzierungsvermögen zu, um zu verstehen, dass hier weder Feindbilder aufgebaut noch Schwarz-weiß-Denken in Bezug auf Personen oder Organisationen gefördert werden soll (es geht nicht um Personen, sondern um Inhalte). Wir haben auch solche Christen lieb, die die erwähnten Personen durchweg positiv einschätzen und fühlen uns mit vielen von ihnen aufgrund des gemeinsamen reformatorischen Anliegens weiterhin besonders verbunden. Dennoch möchten wir diese u.E. wichtige Analyse zur Diskussion stellen.”
Daten
Titel: Wer sind die “Neuen Calvinisten”?
Autor: E.S. Williams
Seiten: 38
Format: A5
Einband: geheftet
Jahr: 2012
Verlag: Betanien Verlag
Preis: 1,90 EUR
erhältlich bei: cbuch.de (auf Anfrage)
Leseprobe: issuu.com
Sehr interessanter Bericht.
In letzter Zeit habe ich einiges vom “neuen Calvinismus” gehört. Ich finde es gut das lehrmäßige Thema so klar angesprochen werden.
Jedoch ist es meiner Meinung nach schwer jede Lehre in festen Kategorien wie Calvinisten, Puritaner, Evangelikale usw. einzuteilen. Häufig begegnet man Menschen die eine Mischung aus verschiedenen Büchern und Zeitschriften an gelesen haben.
Dann sollte man nicht mit dem Kategorisieren anfangen sonder der Prüfung der Lehre.
Danke, Arthur. Das ist auch mein großer Aufruf, nicht zu schubladisieren. Der Zusatz vom Verlag ist auf jeden Fall begrüßenswert. Noch zwei Punkte von mir:
(1) Mir fehlt das Konkrete – ist das sogar beabsichtigt, damit ich mir das Buch kaufe? Ansonsten finde ich solch vage Aussagen nicht gut: “…in dem Zusammenhang… und ähnliche Organisationen… betreffen die Grundlagen biblischer Lehre.” Wer sich nicht weiter mit dem Thema beschäftigt und das auch nicht will, wird hier pauschal verunsichert.
(2) Ich erinnere mich noch gerne an euren Artikel “Wir sind nicht Amerika”. Was interessieren uns die Probleme von drüben? Wir haben hier unsere eigenen Probleme, andere und zT größere als in Amerika. Aber dazu gibt es eben keine Bücher. Bis vor kurzem kannten die meisten Christen die “New Calvinists” noch gar nicht…
Gibt es unbiblische Lehraussagen in Büchern auf dem deutschen Markt, dann werden am ehesten kritische Rezensionen helfen, die darauf ganz konkret und fair eingehen.
Hallo Ihr!
Auf Seit.37 der Broschüre steht:
Nachbemerkung des deutschen Herausgebers.
“Im deutschsprachigen Raum hat die Initiative Evangelium 21 einige Verbindungen zu den in dieser Broschüre kritisierten Personen und Organisationen und hat sich z.T. an der Gospel Coalition als Leitbild orientiert. Man soll die geübte Kritik jedoch nicht direkt auf Evangelium 21 übertragen, da viele die erwähnten Kritikpunkte nicht auf Evangelium 21 zutreffen”!
Ich selbst bin reformiert und habe zugleich einige Vorbehalte gegenüber dem NC (siehe dazu z.B. Ron Kubsch, „Neuer Calvinismus – Einblicke in eine junge reformierte Bewegung“, Jahrbuch für Freikirchliche Forschung, 20/2011). Nichts gegen sachliche Kritik! Was aber Williams schreibt, ist naïve, teilweise (wohl gegen besseres Wissen) entstellend und verfestigt weitverbreitete Vorurteile. Das Niveau dieses Textes ist so tief, dass er besser nicht gedruckt worden wäre.
Liebe Grüße, Ron
Menschen, die sich Nachfolger von irgendeinem anderen Menschen nennen, sind geistlich gesehen Kinder die noch Milch brauchen.
1. Korinther 3,1-8
Deswegen ist die Diskussion unnötig ob man den “New-Calvinists” trauen darf oder nicht. Es gilt das Prüfungsprinzip aus 1. Thessalonicher 5,21, alles zu prüfen und das Gute zu behalten. Und es gibt nicht einen Menschen auf dieser Welt, außer Jesus Christus, der nie falsch liegen würde, ob Old-Calvinist, Calvin selbst oder sonst wer.
Dieses Buch ist genauso unnötig und nur für Grabenkämpfe geeignet und dient nicht zu Erbauung, sondern nur zum Unfrieden. Wenn auch aus dem Kontext gerissen: Galater 5,15 “Seht zu dass ihr nicht einander auffresst”.
Ihr Lieben…wir kämpfen alle gemeinsam für eine Sache. Die Grabenkämpfe bringen nicht weiter, nur Verdruß. Vor allem bereiten sie Gott Unehre.
Gottes Segen,
Daniel
Sehr gut Daniel. In meinen Augen bringst du die Sache voll auf den Punkt. Ich kenne die Argumente derer, die dir widersprechen würden. Dann heißt es: Aber es muss doch gewarnt werden. Wir müssen uns klar abgrenzen, usw. Aber ich stehe voll hinter dem was du sagst: Wir kämpfen alle gemeinsam für eine Sache.
Ich kenne den Text des Buches im Englischen und finde die Art, wie der Autor argumentiert, sehr einseitig. Es wird auch mit Unterstellungen und tendenziösen Belegen gearbeitet und dann bspw. mal geschwind John Piper verrissen und das in einer Art und Weise die seiner Person und seinem Werk nicht im Ansatz gerecht werden. Das ist meines Erachtens unredlich und ich verstehe nicht, wie man als Christ so vorgehen kann. Wenn man selbst wert auf die eigene Wahrhaftigkeit legt, auf saubere Argumentation und auf faire, angemessene Kritik achtet, sollte man so ein Buch nicht schreiben.
Es gibt meines Erachtens berechtigte Kritik an manchen Dingen, die z.B. Piper getan und gesagt hat, die gefallen mir auch nicht, aber einiges, was der Autor schreibt, ist einfach auch nicht wahr und leicht zu widerlegen. Was soll man von einem Buch halten, das so einseitig und irreführend mit seinen Quellen und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen umgeht?
LG
Simon
@Rami A.: zu 1: Das stimmt, dass ich nicht konkrete Belege für die Thesen von E.S. Williams anführe. Einen kurzen Einblick bekommt man in der Leseprobe auf cbuch.de Zu 2: Die Probleme von “drüben” würden mich nicht interessieren, wenn es sie nicht auch bei uns gäbe. Kellers Bücher werden nach und nach übersetzt. “In welche Richtung geht das Buch “Soziale Gerechtigkeit”? Wer “Warum Gott?” anhand der Ausführungen von E.S. Williams überprüft, wird feststellen, dass der Zug in die falsche Richtung fährt. Muss nicht vor Kellers theistischen Evolution und seinen Vorlieben zu katholischen Autoren und Mystikern gewarnt werden. Noch vor einigen Jahren haben sich konservative Christen in Deutschland von Billy Graham distanziert, wegen seiner Affinität zu den Katholiken. Dass Tim Keller und auch Albert Mohler diesen Weg gehen, nimmt man dagegen gerne in Kauf. Warum?
Von John Piper gibt es exzellente Bücher. Aber eben auch “Sehnsucht nach Gott” mit dem “christlichen Hedonismus”. Fällt den konservativen Christen nicht mehr auf, dass das Konzept des Hedonismus der Bibel diametral widerspricht. Eine Uminterpretation zum christlichen Hedonismus macht die Sache nicht besser. Das Buch enthält viele wertvolle Gedanken, aber auch einige, die ich nicht akzeptieren kann. Leider…
@Arthur W.: Die Bezeichnung “Neue Calvinisten” führt wahrscheinlich auf Hansens Buch “Young, Restless, Reformed” zurück. Sie bezeichnen sich selbst auch so.
@Ron: Danke für den Hinweis auf deinen Aufsatz. Müsste ich mir mal besorgen. Deiner Bewertung von Williams Kritik kann ich so nicht teilen. Er hätte sich zwar die ein oder andere Nebenbemerkung sparen können, aber die meisten Kritikpunkte finde ich stichhaltig und berechtigt. Es war nicht meine Absicht jedes Argument hier zu diskutieren und das wäre auch nicht sinnvoll. Aber die einzelnen Gemeinden sollten es tun. Ich finde es gut, dass der Betanien Verlag diese Schrift zu diesem Zweck veröffentlicht hat.
Passend dazu ist ein Artikel von D.A. Carson: „Jetzt hab’ ich dich erwischt …!“ Über den Missbrauch von Matthäus 18 (http://clv-server.de/pdf/fut/312/fut312%20Bibelarbeit3.pdf)
“Wenn Person A von Person B kritisiert wird, weil A ein Buch geschrieben hat, in welchem sie Argumente für eine Neu- und Umdeutung der Bibel anführt – mit ernsthaften Irrtümern und möglicherweise mit Irrlehren – ist es nicht weise, sich über die Engstirnigkeit von Person B zu mokieren und herablassend und abschätzig einen solchen „Richtgeist“ zu belächeln. Dies mag bei solchen gut ankommen, die glauben, dass die größte Tugend der Welt die Toleranz ist, aber das kann gewiss nicht der ehrbare Pfad eines Christen sein.
Echte Häresie ist eine verurteilenswerte Sache, eine schreckliche Angelegenheit. Sie entehrt Gott und führt Menschen in die Irre. Sie stellt das Evangelium falsch dar und verführt die Menschen, unwahre Dinge zu glauben und auf eine tadelnswerte Weise zu handeln. Natürlich könnte Person B sich vollends irren. Vielleicht ist die Beschuldigung von Person B völlig irregeleitet, oder sogar verdreht. In diesem Fall sollte man die Tatsachen offen darlegen und sich nicht hinter einer Prozedur verstecken.
Aber wenn Person B ernsthafte biblische Argumente präsentiert, sollten diese begutachtet und nicht verworfen oder leichtfertig abgetan werden, indem man sich fälschlicherweise auf Matthäus 18 beruft.”
@Simon: Welche Kritikpunkte sind bei Williams falsch und sollten widerlegt werden? John Piper wird auf ca. 2 Seiten behandelt und man ehrlich, wo wird er verrissen? Oder bin ich schon blind dafür?
@Eddi: Hier mal zwei Beispiele:
Williams nennt drei wichtige Leute, die Pipers Theologie beeinflusst haben. Genannt werden Fuller, Pascal und Lewis. Jeder, der sich ein wenig mit Piper beschäftigt hat, weiß aber, dass er (jenseits der Bibel) den stärksten Einfluss von Edwards erhalten hat. Er erlebte seinen geistlichen Aufbruch während seiner Edwards-Studien.
Williams behauptet, dass Keller die Frage zum Universalismus beim Interview mit Bashir unbiblisch beantwortete habe. Die Antwort von Keller war unglücklich (halt ein spontanes Interview). Aber Keller hat sich für seine Antwort entschuldigt und sie richtiggestellt (Quelle:http://thegospelcoalition.org/blogs/tgc/2011/09/13/keller-on-salvation-outside-of-christ/). Ist es integer, das in einer Abhandlung über Keller zu verschweigen? Möchtest Du, dass man so mit Dir umgeht?
Wir wissen, dass alle großen Reformatoren oder allg. die Männer und Frauen Gottes große und kleine Fehler gemacht haben (darunter Calvin, Zwingli, Luther, Bucer usw.). Warum erwarten wir von Brüdern, die in der Gegenwart an vorderster Front stehen, dass sie alles richtig machen? Anstatt sich auf jede Merkwürdigkeit zu stürzen, sollten wir uns gegenseitig helfen (auch, indem wir uns unter vier Augen ermahnen) und schauen, dass das Evangelium läuft.
Liebe Grüße, Ron
@Daniel: Kennst du die Down-Grade-Kontroverse zu Spugeons Zeit. Das war kein Grabenkampf, sondern ein entschiedenes Eintreten für die Wahrheit der Bibel und die schmerzvolle Distanzierung von dem Falschen und auch von den Personen, die es vertraten. Nachzulesen in “Spurgeon, wie ihn keiner kennt”. Vielleicht begegnet uns heute Ähnliches…
Ich muss mich Ron anschließen. Die Kritik ist äußerst unsachlich, ja schon fast populistisch und boulevardesk. Obwohl ich im Grundsatz den Neuen Calvinismus auch kritisch sehe, ist die Art und Weise, wie Williams kritisiert nicht angebracht. Die Kritik ist weder nüchtern noch besonnen und fast schon verleumderisch.
@Ron, ich habe von E. S. Williams: “Wer sind die Neuen Calvinisten?“ aus der Sicht als reformierter Christ gelesen. E. S. Williams hat dieses Buch als reformierter Theologe geschrieben und es ist, so verstehe ich es, als Mahnruf gedacht. Es gehört Mut dazu, auf Entwicklungen die in der falschen Richtung laufen, hinzuweisen und das noch im eigenen theologischen Umfeld, den man sehr nahe steht. Ich finde nicht dass das Niveau dieses Textes so tief ist, dass es besser nicht gedruckt worden wäre. Dieser Satz von dir, ist ohne Niveau und zeigt mir, dass du zum Thema Kritik ,ein mehr als seltsames Verständnis hast. Kritik, ja an den anderen und da ist man auch nicht gerade zimperlich. Kritik oder das Hinterfragen an der eigenen Theologie das verbittet man sich.
Lieber Ron, danke für die zwei Hinweise. 1. Zu Piper: Wahrscheinlich hat sich Williams auf Pipers Weg zum christlichen Hedonismus aus seinem Buch “Sehnsucht nach Gott” orientiert. Piper schreibt dort, das Edwards erst ganz zum Schluss dazu kam. Sicher hatte Edwards einen großen Einfluss auf ihn. Gott sei Dank! 2. Zu Keller: Es wäre in der Tat besser, auf die Richtigstellung in der Broschüre hinzuweisen. Aber mal ehrlich, in dem Video sagt Keller doch nur, dass nicht alle in den Himmel kommen. Es werden Menschen in die Hölle kommen, weil Jesus von der Hölle gepredigt hat. Aber Keller sagt nicht, dass Jesus ALLEIN der Weg zu Gott ist. Warum keine klaren Worte? In dem Video hatte er doch die Zeit und die Möglichkeit gehabt, seine Worte klar auszudrücken. Aber er tat es nicht. Das finde ich schade.
Um es vorweg zu sagen: Ich habe bei Keller auch einige Bauchschmerzen, insbesondere hinsichtlich seiner Neigung zur theistischen Evolution und seine Propagierung der Lectio divina. Mark Driscoll ist nicht mein Typ und seine Sprache in der Tat nicht jedermanns Sache. Und zu Pipers ‘Hedonismus’ ist genug gesagt worden.
Aber die Broschüre von Williams ist beckmesserisch, unfair, hängt sich an Einzelheiten auf, verallgemeinert diese unzulässig und überzieht die Kritik völlig. Das wird am deutlichsten in den fünf Punkten, in denen die ‘Kritik’ im Fazit gebündelt werden. Es ist, um es einmal deutlich zu sagen, nichts weniger als Unfug, Piper, Mohler und den New Calvinists generell (zu denen ja bspw. auch Carson, Ortlund, R. C. Sproul etc. etc. zu zählen wären) eine “Oberflächlichkeit in der Lehre” und eine “Niedere Sicht der Schrift” zu attestieren. Man fragt sich, ob Williams deren Texte so gelesen hat, wie manche die Bibel lesen: Man pickt sich ein paar Verse heraus, die einem gefallen (bzw. in diesem Falle missfallen), klammert sich an denen fest und blendet die restlichen 95-98% aus.
Die Art und Weise, wie Williams gegen die ‘moderne weltliche Musik’ wettert, fand ich übrigens geradezu amüsant. Bachs Kantaten, die heute als Höhepunkte ‘geistlicher’ Musik gelten, basieren auf zu seiner Zeit völlig weltlicher Musik, die ansonsten ausschließlich für die sog. Hofmusik in Gebrauch war. Bach hat die gleiche Kritik erfahren, wie er es denn nur wagen könne, solche Musik für geistliche Stücke zu verwenden.
Williams zieht letztlich selbst nicht die Konsequenz aus seiner reformierten Lehre, denn die Reformierten haben immer anerkannt, dass jeder Christ ein höchst unvollkommenes Wesen bleibt. Das bewahrt vor Heldenverehrung, aber auch vor überzogener Kritik an den bedeutenden Männern der Kirchengeschichte. Calvin kämpfte zeitlebens mit seinem Jähzorn, dazu war seine Eschatologie zu optimistisch; Luther lehrte die Realpräsenz im Abendmahl; B.B. Warfield neigte zur theistischen Evolution; John Stott zum Universalismus. Wir haben alle unsere Schattenseiten. Aber das ist das Wesen des Reiches Gottes, der in Seiner Gnade höchst unvollkommene Leute in Seinen Dienst beruft.
sehr guter kommentar alex … sehe ich auch so
Hallo,
ich finde es toll wie angeregt die Diskussion läuft (hat damit die Broschüre nicht das bezweckt was sie sollte?).
Auffällig finde ich wie absolut für oder gegen Willims Aussagen argumentiert wird. Mir scheint das gerade die Gegner das tun was s sie Williams vorwerfen: einige Zitate nehmen, diese verreißen und dann alle anderen Aussagen ebenso verwerfen.
Andererseits sollte auch nichts was nicht den Tatsachen entspricht oder undiffernziert, unsachlich und diffarmierent ist hingenommen werden.
Ich stelle hier keineswegs infrage, dass Kritik an Strömungen sinnvoll ist (ich denke es muss sein um die Gemeinde zu warnen). Es muss auch in Klarheit gesagt werden.
Also schlage ich vor nicht Piper oder XY zu verteidigen/ anzugreifen (dies scheint mir eher eine korinthische Denkweise zu sein), sondern eine Andere Richtung einzuschlagen.
Ich würde mir eine sachliche Auseinandersetzung mit den Tendenzen die Williams (in dieser Strömung anhand der Personen) aufzuzeigen versucht wünschen: Wie weit sollten wir Gläubigen (Calvinisten) Abstand zu weltlicher Unterhaltung (z.B. betsimmten Musikstilen) nehmen? Wie wichtig ist ein klares Bekenntnis zu Christus als alleinigen Heilsbringer? Wie Zentral ist der Schöpfungsbericht (ist er wörtlich zu nehmen)? Wie gehen wir mit einflussreichen Christen um die die Nähe zu Machtsystemen suchen und mit diesen Kooperieren? usw.
Diese Art der Diskussion halte ich für angebracht und fruchtbar. Mir scheint das die Diskussion indirekt so läuft. Einige Mitglieder in dieser Diskussion deuten an, dass sie Probleme mit den Schlussfolgerungen und der Grundhaltung von Williams zu einigen Punkten haben.
@Eddi, nur kurz zu den Punkten:
“Fällt den konservativen Christen nicht mehr auf, dass das Konzept des Hedonismus der Bibel diametral widerspricht. Eine Uminterpretation zum christlichen Hedonismus macht die Sache nicht besser.”
Ich hatte schon mal intensiven Austausch mit einem Kritiker darüber und mir persönlich fällt auf, dass der ‘christliche Hedonismus’ von Piper eher falsch verstanden wird. Kurz gesagt ist nach Piper die Freude an Gott unsere Stärke, auch zum Leiden! Mit unserer Spaßgesellschaft hat seine Lehre – so wie ich sie verstehe – nichts zu tun.
“Muss nicht vor Kellers theistischen Evolution und seinen Vorlieben zu katholischen Autoren und Mystikern gewarnt werden.”
Meines Erachtens nicht. Zur theistischen Evolution gibt es schon lange ein gutes Buch von Prof. Gitt. Und in Bezug auf den Katholizismus und die Mystiker reicht schon ein gesundes Unterscheidungsvermögen, einfaches Bibellesen und die Nähe zum Hirten.
“Noch vor einigen Jahren haben sich konservative Christen in Deutschland von Billy Graham distanziert…” Wer ist Graham? Wer sind Keller und Mohler? Die Leute sind nur so einflussreich und bekannt, wie wir sie machen. Wir können doch nicht zu jeder falschen Aussage Stellung nehmen und, wie gesagt, haben wir viel größere Probleme…
Ich hoffe, es wird in etwa deutlich was ich mit meiner Kritik meine. Die Zeit ist besser investiert, wenn wir uns auf das Richtige konzentrieren anstatt ständig gegen das Falsche zu kämpfen. Und eigentlich tut Ihr das ja auch, gerade hier im Blog – macht weiter so!
Wenn schon Kritik, dann nur noch sachlich und konkret. Ich höre immer Piper, Gospel Coalition und “profan” in einem Satz. Wollen wir solche Leute und Dienste auf den richtigen Weg bringen so gleicht das m.E. dem Versuch, Usain Bolt das Laufen beizubringen. Bezeichnend auch, dass Du in der Diskussion oben auf Carson verweist… 😉
Im Vorwort des Beitrages vom 25. August 2012 bei http://www.distomos.blogspot.de steht: Dr. Williams hielt an der Summer School of Theology im Metropolitan Tabernacle, London, am 4. Juli 2012 zwei Vorträge über die Neuen Calvinisten. Das Metropolitan Tabernacle ist jene geschichtsträchtige Gemeinde, in welcher Charles Spurgeon drei Jahrzehnte das Evangelium verkündigte. Seit 1970 steht Peter Masters der Gemeinde im Metropolitan Tabernacle vor. Sowohl Peter Masters als auch Dr. Williams bekennen sich zum reformierten Glauben. Die Kritik von Dr. Williams an einer Reihe von Vertretern des Neuen Calvinismus ist somit eine Bewertung aus dem eigenen reformierten Lager und sollte bedacht werden, auch wenn man nicht allen Punkten zustimmen sollte. Dr. Williams ist Mitglied des Metropolitan Tabernacle.
@Alexander, ja Luther, Calvin, Whitefield, Spurgeon, B.B. Warfield waren unvollkommene Leute im Reich Gottes und sie waren sich dieser Unvollkommenheit durchaus bewusst. Aber das ist das Wesen des Reiches Gottes, der in seiner Gnade höchst unvollkommene Leute in seinem Dienst beruft. Dieses hielt sie aber nicht davon ab, ihre Stimme bei bestimmten Situationen zu erheben. Sie wurden dabei recht deutlich, ihre Sprache war zum Teil grob und sie wurden auch sehr deutlich in ihren Argumenten. Bei ihren Schriften, ist auch eine gewisse Polemik nicht zu überlesen. Sie waren also, wie du selbst schreibst, “beckmesserisch, unfair, hängt sich an Einzelheiten auf, verallgemeinert diese unzulässig und überzieht die Kritik völlig.” In der jüngeren Kirchengeschichte trifft man genau das Gegenteil an, bloß nicht Klartext reden und niemanden auf den Fuß treten, da wir ja alle Brüder in Christo sind. Genau durch diese Vorgehensweise sind Fehlentwicklungen z.b. in der Evangelisationsbewegung und Heiligungsbewegung, trotz mehrerer Warnungen geduldet worden.Der Entschluss auf diese Entwicklungen zu reagieren, kam leider viel zu spät. Die Folgen der Entscheidungen der Brüder zu der Zeit, man kann auch Mutlosigkeit sagen, wirken sich bis heute in vielen Gemeinden aus. Wenn ich heute die verschiedensten Beiträge lese, die in der christlichen Diplomatensprache abgefasst sind, schaudert es mich, da find ich die Beiträge, die klar und direkt geschrieben sind, nachvollziehbarer. Ob ich sie teile oder nicht, ist da erst mal total nebensächlich, ich weiß aber woran ich bin! Bei den neuen Calvinisten, ist die für mich entscheidende Frage: Wieso diese sich nicht zu den alten (reformierten) Bekenntnissen bekennen, oder sogar wie Keller, lieber neue wesentlich offenere, weiter formulieren.
Liebe Brüder, ich bedanke mich für die rege Beteiligung an dieser Diskussion. Ich werde gleich die Kommentarfunktion ausschalten. Zuvor noch einige Anmerkungen:
1. Ich habe diese Broschüre hier im Blog vorgestellt, weil ich davon überzeugt bin, dass dieser Warnruf dringend notwendig war. Wir sind bemüht hier im Blog unserer Meinung nach gute und wertvolle Literatur vorzustellen. Dass diese Bücher/Medien nicht allen gefallen, davon gehen wir aus.
2. Ich wollte mit dieser Broschüre auf keinen Fall “Grabenkäpfe” provozieren. Dennoch ruft uns die Bibel auf, zu prüfen, zu unterscheiden und eben auch zu warnen. Dabei dürfen auch Name genannt werden. Paulus tat es auch. Ich teile die tiefe Sorge von E.W. Williams und auch Peter Masters um die sich stark verbreitende Bewegung.
3. Die Aufregung in manchen Kommentaren kann ich nicht nachvollziehen. Die Absicht des Betanien Verlages mit dieser Broschüre wird im letzten Zitat sehr deutlich und klar zum Ausdruck gebracht. Ich stehe voll und ganz hinter der sehr ausgewogenen Aussage. Die Grundaussage der Broschüre ist nötig und längst überfällig. Schade, wenn die meisten nicht bereit sind, sich einer Prüfung zu unterziehen, sondern übermäßig scharf kritisieren – und das in einer Form, in der Williams es nicht tut.
4. Wer englisch versteht, dem empfehle ich folgendes Video von Joel R. Beeke. Nicht nur Peter Masters und E.S. William sind tief besorgt über diese Bewegung sondern auch der unter den Neuen Calvinisten bekannte und geschätzte Professor Joel R. Beeke. Er sprach übrigens auf der Desiring God Pastors Conference 2011. http://www.youtube.com/watch?v=pxf6Hx9TPfY