Durch viel Trübsal

Spurgeon berichtet immer wieder von den tiefen Gewissensbissen, die ihn als Teenager und Jugendlichen plagten:

Mein Herz war Brachland, mit Unkraut bedeckt, aber eines Tages kam der große Bräutigam und begann, meine Seele zu pflügen. Er kam mit zehn schwarzen Pferden, er benutzte eine scharfe Pflugschar und zog tiefe Furchen. Die schwarzen Pferde, das waren die zehn Gebote, und es war die Gerechtigkeit Gottes, die meinen Geist wie eine Pflugschar aufriss. Ich war verdammt – hoffnungslos, hilflos – ich dachte, ich stünde direkt vor der Hölle. Dann kam eine neue Zeit des Pflügens in eine andere Richtung. Denn als ich das Evangelium zu hören begann, tröstete es mich nicht. Ich wünschte wohl, daran Teil zu haben, aber ich fürchtete, eine solche Gnade komme für mich nicht in Frage.  Die auserwähltesten Verheißungen Gottes blickten mich finster an, und seine Drohungen donnerten auf mich herab. Ich betete, fand aber keine Antwort des Friedens. Dieser Zustand hielt lange an.

Es quälte Spurgeon zutiefst, dass er keinen Frieden mit Gott finden konnte. Seine tiefen Erfahrungen waren für sein geistliches Leben von großer Bedeutung. Denn erstens konnte er dadurch umso mehr die Errettung erfahren und schätzen und zweitens konnte er auch als Evangelist ein feinfühliger Seelsorger werden. Er selber sagt zu seinen Gewissensqualen:

Eine geistliche Erfahrung, die sorgsam durchmischt ist mit dem tiefen und bitteren Geschmack der Sünde, ist für den, der sie hat, von großem Wert. Es ist schwer, sie zu trinken, aber im ganzen späteren Leben wirkt sie heilend. Unsere vielen Evangelisationen machen es den Menschen leicht, Frieden und Freude zu erlangen – ob hier der Grund für die oberflächliche Frömmigkeit liegt, die wir heute überall beobachten? Damit wollen wir über die modernen Bekehrten nicht urteilen; aber wir ziehen jene Form geistlicher Erfahrung vor, die die Seele den Kreuzesweg des Weinens führt und ihr zuerst die eigene Schwärze zeigt, bevor sie ihr versichert, in jeder Hinsicht rein zu sein. Zu viele denken oberflächlich über Sünden und genauso auch über den Erlöser. Wer vor Gott gestanden hat – überführt und verdammt, mit dem Strick um den Hals-, der wird auch vor Freude weinen, wenn er Vergebung erhält; er wird das Böse hassen, das ihm vergeben wurde, und  er wird zur Ehre des Erlösers leben, durch dessen Blut er gereinigt wurde.

Obwohl Spurgeon jedoch bibeltreue Wahrheiten hört, kann er nicht in das Reich Gottes durchdringen. Viele Fragen und Probleme quälen ihn:

Wenn das Gesetz sagte: “Du sollst nicht stehlen”, und ich antwortete: “Nun, ich habe nie etwas gestohlen”, dann entdeckte ich, dass selbst das Verlangen nach dem, was nicht mein Eigentum  war, Sünde ist. Die geistige Natur des Gesetzes verblüffte mich. Was für eine Hoffnung hatte ich, einem Gesetz wie diesem zu entkommen? Ich sah mich in den Händen von einem, der keine Gnade zeigte. (…) Bevor ich zu Christus kam, sagte ich mir: “Es kann ja nicht wahr sein, dass ich, so wie ich bin, nur an Jesus glauben muss und dann gerettet bin. Ich muss etwas fühlen; ich muss etwas tun.” Ich könnte mich vor Scham verkriechen, wenn ich darüber nachdenke, was für gute Entschlüsse ich fasste!”

Auch kommt er in verschiedene Anfechtungen, unter anderem befällt ihn der Gedanke, dass er die unvergebbare Sünde begangen habe. Wie jedoch hat sich seine Bekehrung abgespielt? Bis an sein Lebensende hat er die Plötzlichkeit seiner Bekehrung in einer methodistischen Kapelle genutzt, um zu erklären, dass sich unsere Beziehung mit Gott in einem einzigen Augenblick für alle Ewigkeit ändern kann. Es war Sonntag und das Wetter war rau an diesem Januartag 1850. So schaffte es Spurgeon nicht in den Gottesdienst wo er eigentlich hin wollte und hielt in einer Kapelle der Primitive Methodists an. Hier geschah es:

In der Kapelle saßen etwa fünfzehn bis zwanzig Menschen. Ich hatte von den Methodisten schon gehört, sie würden so laut singen, dass man Kopfschmerzen davon bekäme. Aber das störte mich nicht. Ich wollte wissen, wie ich gerettet werden könne, und wenn sie es mir sagen konnten, waren mir die Kopfschmerzen egal. An diesem Morgen kam der Prediger nicht, vermutlich weil er eingeschneit war. Schließlich stand ein sehr schmal aussehender Mann auf und ging nach vorne auf die Kanzel, um zu predigen. Dieser Mann war wirklich einfältig. Er musste bei seinem Text bleiben, denn er hatte wenig darüber hinaus zu sagen. Der Text war: ” Schaut auf mich, und ihr werdet gerettet werden, all ihr Enden der Erde.” Er sprach nicht einmal die Worte richtig aus, aber das war unwichtig. Da lag, so dachte ich, ein Hoffnungsschimmer in diesem Text. Der Redner begann: “Meine lieben Freunde, dies ist in der Tat ein sehr einfacher Text. Er sagt: “Schaut”. Nun ist Schauen nicht allzu schmerzhaft und anstrengend. Du musst nicht einmal deinen Finger oder deinen Fuß dafür heben. Nur “Schaut”. Nun, ein Mensch muss nicht zur Universität gehen, um Sehen zu lernen. Du kannst der größte Trottel sein, und doch kannst du sehen. Ein Mensch muss auch nicht Tausende im Jahr verdienen, um sehen zu können. Jeder kann sehen, sogar ein Kind kann sehen. Aber dann sagt der Text: “Schaut auf mich”. “Nun”, fuhr der Mann in seinem breiten Essexer Dialekt fort, “viele von euch schauen auf sich selbst, aber es hat keinen Sinn, dahin zu blicken. In euch werdet ihr nie irgendeinen Trost finden. Einige schauen auf Gott, den Vater. Nein, schaut immer mehr auf ihn! Jesus Christus sagt: “Schaut auf mich.” Einige unter euch sagen: “Wir müssen warten, bis der Geist an uns arbeitet.” Kümmere dich jetzt nicht darum. Schau auf Christus. Der Text sagt, “Schaut auf mich.”” Auf diese Art und weise ging es weiter: “Schaut auf mich, ich schwitze große Blutstropfen. Schaut auf mich, ich hänge an dem Kreuz (…). Als er bis hierher gekommen war und es geschafft hatte, etwa zehn Minuten zu füllen, war er am Ende mit seinem Latein. Dann sah er mich, wie ich unter der Galerie saß. Sicher wusste er bei so wenigen Anwesenden, dass ich ein Fremder war. Er richtete sein Auge auf mich, als würde er mein ganzes Herz kennen, und sagte:

“Junger Mann, Sie sehen sehr elend aus…” Ja, das tat ich, aber ich war es nicht gewohnt, von der Kanzel her direkt auf mein persönliches Aussehen angesprochen zu werden. Wie dem auch sei, es war ein Volltreffer. Er fuhr fort:”…und Sie werden immer elend sein – elend im Leben und elend im Tode – wenn Sie meinem Text nicht gehorchen. Aber wenn Sie jetzt, in diesem Moment, gehorsam werden, dann werden Sie gerettet.” Dann, mit hoch erhobenen Händen, rief er, wie dies vielleicht nur ein einfacher Methodist tun kann: “Junger Mann, schau auf Jesus Christus. Schau! Schau! Schau! Du musst nichts tun, als nur schauen, und du wirst leben.” Plötzlich und auf einmal sah ich den Weg der Erlösung. ich weiß nicht mehr, was er noch sagte – ich habe nicht so sehr darauf geachtet-, ich war ganz und gar erfüllt von diesem einen Gedanken. Genauso war es doch mit der ehernen Schlange gewesen, als sie erhöht worden war, mussten die Leute nur auf sie schauen, und sie wurden gerettet. So war es auch mit mir. Ich hatte erwartet, fünfzig Dinge tun zu müssen, aber als ich dieses Wort hörte:”Schau”, da schien es für mich das schönste Wort der Welt zu sein! Ach, ich hätte mir die Augen aus dem Kopf schauen können. An diesem Ort und in diesem Augenblick wich der Schleier (…). Ich hätte aufstehen können und mit den enthusiastischsten Methodisten von dem kostbaren Blut Christi und dem einfachen Glauben singen können, der nur auf ihn schaut. Wenn mir das doch nur vorher jemand gesagt hätte: “Verlass dich auf Christus, und du sollst gerettet werden.” Ich konnte jetzt John Bunyan verstehen, der sagte, er habe den Krähen auf dem Acker alles über seine Bekehrung erzählen wollen. Er war zu voll davon, um es für sich zu behalten.

Übrigens, genau sechs Jahre später hat Spurgeon über den selben Vers gepredigt, den wir übrigens in Jesaja, Kapitel 14 Vers 22 finden:

Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und keiner mehr.

Die Zitate stammen aus der Autobiografie Alles zur Ehre Gottes.

 

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