Die Deutsche Evangelische Allianz schafft sich ab

Für zigtausende von Christus-Nachfolgern, die ihren Glauben einzig nach der Bibel ausrichten wollten, war sie jahrzehntelang der theologische Leuchtturm, dem man vertrauen konnte: die Ev. Allianz bzw. die Deutsche Ev. Allianz (DEA). Doch aus dem Leuchtturm ist ein Irrlicht geworden – spätestens seit dem letzten Jahr. Anfang Dezember 2012 wurde der 47-köpfige Hauptvorstand der DEA, zu dem bekannte Theologen wie der Leiter der Biblisch-Theologischen Akademie Wiedenest, Dr. Horst Afflerbach, der ehemalige DEA-Vorsitzende Dr. Rolf Hille, der Prorektor der Freien Theologischen Hochschule (FTH) Gießen Dr. Stephan Holthaus, oder die Islam-Wissenschaftlerin Prof. Dr. Christine Schirrmacher gehören, um 13 weitere Mitglieder erweitert.

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Bildquelle: Gordon Gross / pixelio.de

Dazu gehören jetzt ausgewiesene Charismatiker wie Peter Wenz (Gospel-Forum, früher Biblische Glaubens-Gemeinde/ Stuttgart), Richard Aidoo (New Live Church/Düsseldorf) oder Pfarrer Henning Dobers, Vorsitzender der Geistlichen Gemeindeerneuerung in der Ev. Kirche in Deutschland. Mit der ev. Pfarrerin Astrid Eichler und Frank Bauer, Vorsitzender der charismatischen Missionsgesellschaft Jugend mit einer Mission, gehören weitere Personen aus dem charismatischen Umfeld jetzt zum DEA-Hauptvorstand. Alle Neuberufungen wurden mit mindestens einer Zwei-Drittel-Mehrheit des alten DEA-Hauptvorstandes vorgenommen.

Mit diesen Berufungen schließt die DEA endgültig ein Kapitel, das ganze 100 Jahre lang die evangelikale Szene in Deutschland beschäftigt hat. Die DEA dokumentiert es auch damit, dass die Organisation jetzt geleitet wird vom 1. Vorsitzenden Dr. Michael Diener, der gleichzeitig Präses des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes ist; 2. Vorsitzender der DEA ist der Präses des Mülheimer Verbandes Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden (MV), Ekkehart Vetter. Der MV ist die älteste Pfingst-Kirche Deutschlands, versteht sich aber heute nicht mehr als solche, sondern bezeichnet sich selbst als „evangelikal-charismatisch“ mit der Bejahung der sogenannten Sprachenrede und einer „Geist“-geführten Prophetie.

1909 trennte sich die Gemeinschafts-Bewegung von der aufkommenden Pfingst-Bewegung, die in Mülheim eine Hochburg hatte, gerade wegen der Sprachenrede (auch Zungenrede genannt), einer „Geist“-geführten Prophetie sowie übernatürlich bewirkter Beschwerde-Beseitigung bei körperlichen Leiden. Die Gemeinschaftler bezeichneten diese Phänomene als „von unten“, also von Satan, gesteuert.

Diese Klassifizierung – in der „Berliner Erklärung“ festgeschrieben – geschah damals nicht leichtfertig, sondern wurde nach sorgfältigen Prüfungen vorgenommen. Wolfgang Bühne, der historisches Material der damaligen Zeit durchgearbeitet hat, schreibt in seinem Buch „Spiel mit dem Feuer“ über die Geschehnisse Anfang des letzten Jahrhunderts Folgendes: „Ein Bruder, Hermann Knippel aus Duisburg-Beek, hatte in Amsterdam eine Zungenrednerversammlung besucht und anschließend erlebt, dass auch in seiner Gemeinschaft das Zungenreden aufbrach. Auch H. Knippel wurde mit dem „Geist“getauft, „die Macht fiel auf ihn und er fiel zur Erde“. Jedoch durch verschiedenen Beobachtungen skeptisch geworden, entschloss er sich, die Geister der Zungenredner zu prüfen. Bei diesen Geistesprüfungen, bei denen die „Geister“ nach ihrem Bekenntnis gefragt wurden, bekam er folgende Antworten zu hören: „Verflucht sei Jesus Christus!“, „Bete mich an!“, „Ich bin von Gott – verrate mich nicht!“, „Ich bin ausgegangen, mich zu verherrlichen, viele zu verführen und viele in den Abgrund zu ziehen.“

Hermann Knippel sagte sich daraufhin von der Zungenbewegung los und gehörte zu denen, die 1909 die sogenannte „Berliner Erklärung“ unterschrieben. Doch die entscheidende Weichenstellung, die zur Berliner Erklärung führte, ereignete sich auf einer Allianz-Konferenz im August 1909 in Bad Blankenburg. Dort trafen sich führende Brüder der Pfingst- und Gemeinschaftsbewegung – damals noch vereint –, um den Geist der 20-jährigen Prophetin Dora Lenk zu prüfen, die damals als Vermittlerin von „Gottesbotschaften“ durch die Gemeinden und Konferenzen gereicht wurde.

Die Brüder begeben sich mit Dora Lenk in das Zimmer des Predigers Eugen Edel, Schriftleiter der Pfingst-Zeitschrift Pfingstgrüße. Anwesend bei der Prüfung sind verschiedene Prediger und bekannte Evangelisten. Die versammelten Brüder beginnen zu beten und bitten Gott aufgrund von 1. Joh. 4, 1-3 zu offenbaren, ob der Geist der neuen Bewegung der Heilige Geist ist oder nicht. Der Geist in Dora Lenk soll klar bekennen, ob Jesus der ins Fleisch gekommene Heiland ist. Dora Lenk macht über Jesus große Aussagen, doch um die Beantwortung der eigentlichen Frage windet sie sich. Endlich wird es Johannes Urban – aufgrund seiner Geistestaufe und der „Gabe“ der Zungenrede Anhänger der Pfingst-Bewegung – zu bunt, und er betet: „Herr, wenn es ein Irrgeist ist, dann lass diesen Geist verstummen, überhaupt nicht mehr reden dürfen.“ Die Stimme von Dora Lenk verstummt sofort und vollständig. Die versammelten Brüder sind erschüttert. Noch in Bad Blankenburg sagt sich Urban von der Pfingstbewegung los. Dabei geschieht etwas merkwürdiges. Urban litt seit seiner Geistestaufe unter Schwermut, die sofort verfliegt, als er mit dem Pfingst-Geist nichts mehr zu tun haben will.

Solche Prüfungs-Ideen werden heute im evangelikalen Raum nur noch mit Kopfschütteln bedacht. Pfingstler und Charismatiker sind im Raum der ev. Allianz längst anerkannt. Aussagen wie die des ehemaligen DEA-Vorsitzenden Dr. Fritz Laubach in einem Interview aus 1991 gelten heute als kirchengeschichtlich überholt: „Wir sehen aber, dass gegenwärtige Teile der charismatischen Bewegung abdriften in Richtung der alten Pfingstbewegung, dass besonders Gaben der Heilung, Prophetie und des Zungenredens in den Vordergrund gerückt werden, dass Evangelisationen nur dann richtige Evangelisationen sein sollen, wenn Heilungswunder geschehen … der Gegensatz zu diesen Auffassungen macht eine Zusammenarbeit oder geistliche Gemeinschaft (mit Pfingstlern und Charismatikern) leider in der Praxis unmöglich.“

Doch gerade seit Dezember 2012 sind mit Peter Wenz und Richard Aidoo zwei Vertreter der extremeren charismatischen Szene in den Hauptvorstand der DEA eingezogen, mit denen Laubach niemals zusammengearbeitet hätte. In den Gemeinden von Wenz und Aidoo geschieht exakt das, was der ehemalige DEA-Vorsitzende Peter Strauch in dem Positionspapier „Die Charismatische Bewegung und die Position der Freikirchen“ 1995 noch so verurteilte: „Wir sagen Nein zu der Lehre, als müsse man nach der Wiedergeburt eine besondere Taufe mit dem Heiligen Geist erleben, oft vermittelt durch Handauflegung von besonders bevollmächtigten Leuten … Wir sagen Nein zu der Auffassung, dass die Sprachenrede Ausweis für ein geisterfülltes Leben oder gar für eine besondere Taufe mit dem Heiligen Geist sei … Wir sagen Nein zu inneren Bildern, Träumen und Visionen, die mit dem geschriebenen Wort Gottes nicht übereinstimmen, oder in ihrer Wirkung von ihm wegführen … Wir sagen Nein zu einer Theologie, die behauptet, dass Gott jeden Menschen heilen will, wenn er nur richtig glaubt.“

Obwohl der ehemalige Präses der Freien ev. Gemeinden hier klare Aussagen trifft, war gerade er es, der die Arbeitspapier kritisierten Positionen später zum „Sondergut“ (und somit als nicht grundsätzlich trennend) erklärte und damit den Weg für eine Anerkennung von Pfingstlern und Charismatikern durch die DEA ebnete („Kasseler Erklärung“ von 1996). Wofür steht die DEA heute noch?

In ihrem Hauptvorstand sind jetzt ausgewiesene Charismatiker aufgenommen – somit voll akzeptiert. Zum Hauptvorstand gehört auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Heinrich (Chemnitz), der ein CDU-Papier unterschrieb, das die steuerliche Gleichstellung der „Homo-Ehe“ fordert. „Wir wollen anerkennen, dass sich Lebenspartner mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft einen Rahmen für eine auf Dauer angelegte und auf gegenseitiges Vertrauen und Zuneigung gegründete Beziehung gegeben haben“, heißt es in dem Papier. Längst wird DEA-intern – wie TOPIC erfuhr, sogar per Geheimsitzung – darüber nachgedacht, welche neue Position man gegenüber der Homosexualität einnehmen könne. Wofür steht die DEA noch? Geleitet wird die DEA von Dr. Michael Diener, der zum Morden an Ungeborenen (Abtreibung) nicht mehr die kompromisslos ablehnende Haltung einnimmt (s. TOPIC 2/12) wie all seine Vorgänger. All das, was die Allianz-Führung einstmals ausmachte, eine biblische Position in Kirche und Welt ohne Wenn und Aber zu vertreten, wird mehr und mehr zugunsten einer Anpassung an den Zeitgeist aufgeweicht. Langjährige Kenner der DEA und einstiger Wegbegleiter Dieners machen mittlerweile Aussagen, die für sich sprechen: „Die DEA hat keinen geistlichen Kompass mehr. Sie ist völlig orientierungslos!“ „Den derzeitigen Vorsitzenden halte ich für den schlechtesten (bezogen auf die geistliche Führung), den die DEA bisher hatte!“ Ein „Altgedienter“ aus der Theologen-Riege der DEA (!) über die DEA zu TOPIC: „Wozu brauchen wir die in Wirklichkeit denn noch?“ Die DEA ist auf dem besten Wege, sich abzuschaffen.

Quelle: TOPIC Nr. 1, Januar 2013

Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung von Ulrich Skambraks.

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7 Kommentare zu „Die Deutsche Evangelische Allianz schafft sich ab“

  1. Lieber Joschie,

    wer mit den Inhalten aus der Topic nicht klar kommt, der setzt sich nicht mit der Realität auseinander. Wer seine Bibel liest und studiert, der erkennt auch die Zeichen der Zeit.
    Ich danke dem Topic Team, dass sie sich nicht scheuen, die Dinge beim Namen zu nennen und klar die Strömungen aufzeigen, die die Gemeinden von heute beeinflussen.
    Weiter so!

  2. … was hat der Artikel eigentlich mit dem Leitbild dieser Website zu tun?

    “(…) Es gibt Rezen­sio­nen zu christ­li­chen Büchern, Inter­views mit Ver­lags­lei­tern und Ver­ant­wor­tungs­trä­gern. Berichte über Ent­wick­lun­gen in der christ­li­chen Ver­lags­welt aus bibel­treuer Per­spek­tive wol­len zum Nach­den­ken und Umden­ken anre­gen. (…) “

  3. Hallo lieber Toby,

    „(…) Es gibt Rezen­sio­nen zu christ­li­chen Büchern, Inter­views mit Ver­lags­lei­tern und Ver­ant­wor­tungs­trä­gern. Berichte über Ent­wick­lun­gen in der christ­li­chen Ver­lags­welt aus bibel­treuer Per­spek­tive wol­len zum Nach­den­ken und Umden­ken anregen. (…) “

    Das sind die Schwerpunkte der Seite. Darüber hinaus gibt es gelegentlich Beiträge aus anderen Bereichen.

    Grüße
    Alex

  4. Finde diesen Beitrag aus der Topic gut und wichtig und kann mich dem Kommentar von JuWe nur anschließen! Viele Leute schlummern so vor sich hin und bekommen gar nicht mit in welche Richtung die DEA eigentlich geht. Danke, Alex für’s Posten.

  5. Hallo Ingo Müller,

    die Rechte am Text liegen beim Herausgeber von Topic, Ulrich Skambraks. Am besten einfach dort mal anrufen.

    Gruß, Alex

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