“Denn ohne Leiden, Kreuz und Todesnöte kann man die Vorherbestimmung nicht ohne Schaden und heimlichen Zorn wider Gott behandeln.”

Luther in Erfurt, von J.N. Paton, 1861, (c) gemeinfrei

Martin Luther ist ein Theologe des Kreuzes. Auch Fragen nach der Prädestination verband er mit dem Kreuz Christi. In seiner Vorrede zum Brief des Paulus an die Römer (1522) schreibt er:

“Im neunten, zehnten und elften Kapitel lehret er von der ewigen Vorherbestimmung Gottes, woher es ursprünglich fließt, wer glauben oder nicht glauben soll, wer von Sünden los oder nicht loswerden kann, womit es ja ganz aus unsern Händen genommen und allein in Gottes Hand gegeben sei, daß wir fromm werden. Und das ist auch aufs allerhöchste not. Denn wir sind so schwach und ungewiß, daß, wenns bei uns stünde, freilich nicht ein Mensch selig würde, der Teufel würde sie gewißlich alle überwältigen. Aber nun Gott gewiß ist, daß ihm das, was er vorherbestimmt, nicht fehlgehet, noch jemand ihm wehren kann, haben wir noch Hoffnung wider die Sünde. Aber hier ist den frevelhaften und hochfahrenden Geistern eine Grenze zu stecken, die ihren Verstand zuerst hierher führen und damit anfangen, zuvor den Abgrund göttlicher Vorherbestimmung zu erforschen und sich damit vergeblich bekümmern, ob sie vorherbestimmt sind. Die müssen sich denn selbst stürzen, daß sie entweder verzagen oder alles aufs Spiel setzen. Du aber folge diesem Brief seiner Ordnung entsprechend, beschäftige dich zuvor mit Christus und dem Evangelium, daß du deine Sünde und seine Gnade erkennest, danach mit der Sünde streitest, wie hier das 1., 2., 3., 4., 5., 6., 7., 8. Kapitel gelehret haben. Danach, wenn du zum 8. (Kapitel) gekommen bist, unter das Kreuz und Leiden, wird dich das die Vorherbestimmung im 9., 10. und 11. Kapitel recht (verstehen) lehren, wie tröstlich sie sei. Denn ohne Leiden, Kreuz und Todesnöte kann man die Vorherbestimmung nicht ohne Schaden und heimlichen Zorn wider Gott behandeln. Darum muß (der alte) Adam zuvor richtig tot sein, ehe er dies Ding leide und den starken Wein trinke. Darum sieh dich vor, daß du nicht Wein trinkest, wenn du noch ein Säugling bist. Eine jegliche Lehre hat ihr Maß, Zeit und Alter.”

Übrigens nahm Luther diese klare Position, auch in seiner bereits 1515/16 erschienen Vorlesung über den Römerbrief ein. Zu Röm.9,5 hält er fest: All dies beweist, daß die Vorherbestimmung und die Unumstößlichkeit der Gnadenwahl, aber nicht die Gerechtigkeit des menschlichen Willens, das Heil begründen.

Ähnlich schreibt Luther am 30. April 1531 an Barbara Lisskirchen, die “mit der Anfechtung von der ewigen Vorsehung hoch bekümmert” war, dass er “diese Krankheit gut kennt und bis auf den ewigen Tod in dem Spital gelegen habe”. Ist man also von der Frage gequält, ob man erwählt ist, soll man zu Christus fliehen:

“Unter allen Geboten Gottes ist das höchste, daß wir seinen lieben Sohn, unsern Herrn Jesus Christus, uns vor Augen stellen sollen, der soll unseres Herzens täglicher und vornehmster Spiegel sein, darin wir sehen, wie lieb uns Gott hat, und wie er so sehr, als ein frommer Gott, für uns gesorget hat, daß er auch seinen lieben Sohn für uns gegeben hat. Hier, hier, sage ich, lernt man die rechte Kunst von der Versöhnung und sonst nirgends. Da wird sichs finden, daß Ihr an Christus glaubet. Glaubt Ihr, so seid Ihr berufen, seid Ihr berufen, so seid Ihr auch gewißlich (zum Heil) vorherbestimmt. Diesen Spiegel und Thron der Gnade laßt Euch nicht aus den Augen des Herzens reißen, sondern wenn solche Gedanken kommen und wie die feurigen Schlangen beißen, so sehet Ihr ja nicht den Gedanken noch den Schlangen zu, sondern kehrt Eure Augen immer ab und schauet die eherne Schlange an, das heißt: den für uns gegebenen Christus, so wirds besser werden, so Gott will.”

Interessanterweise kommen in seiner bekannten Schrift “Vom unfreien Willen”, Begriffe wie Erwählung, Vorherbestimmung oder Vorsatz eher selten vor. Meist redet Luther vom Vorherwissen Gottes. Ein ungewöhnliches Zitat ist also:

“Ich übergehe hier jene stärksten Gründe von dem Vorsatz der Gnade, von der Verheißung, von der Kraft des Gesetzes, von der Erbsünde, von der angenommenen Erwählung Gottes, deren keiner ist, der nicht für sich allein von Grund aus den freien Willen aufhebt. Denn wenn die Gnade aus dem Vorsatz (Eph. 1, 11) oder der Vorherbestimmung (Gottes) kommt, so kommt sie zwangsnotwendig und nicht durch unser Streben und Eifer, wie wir oben gelehrt haben.208 Gleichermaßen, wenn Gott die Gnade vor dem Gesetz verheißen hat, wie hier und im Galaterbrief Paulus beweist, dann kommt sie also nicht aus den Werken oder dem Gesetz, sonst wird die Verheißung nichts sein.

Gleichzeitig zeigt sich Luther in seinen Tischreden weniger systematisch:

“Die Ursache, warum Gott diesen oder jenen erwählt, soll man nicht auf unsern Herrgott legen, sondern auf den Menschen; dem soll man die Schuld geben, nicht Gott. Denn die Verheißungen Gottes sind allgemein, allen Menschen gegeben und versprochen, niemand ausgenommen, er sei, wer er wolle, ohne Unterschied. Nun will Gott, daß alle Menschen selig werden; darum ist die Schuld nicht unseres Herrgotts, der es verheißt, sondern unser, die wirs nicht glauben wollen. (WA 4665)”

Die Verknüpfung mit dem Kreuz Christi jedoch bleibt:

“Man soll sich mit allem Fleiß vor der Disputation über die Vorsehung hüten, denn dadurch wird ein Mensch dahin gebracht, daß er Gottes Wort und der Sakramente nicht achtet, daß er Christus mehr für einen grausamen Tyrannen und Henker hält als für einen Heiland: ja das hebt Christi Amt und Brauch gar auf und macht, daß wir Gottes vergessen, daß der ganze Gottesdienst, der in Anrufen und Danksagung besteht, vergehe und dafür nichts anderes als Gotteslästerungen überhand nehmen. Darum ergreife wider diese Disputation das Wort, in welchem du Gott offenbart und wahrhaft abgemalt hast, und die große Wohltat Christi erkennst. Von dem laß dich durch keine anderen Gedanken abführen, sondern bleib bei Christus. So hat mir Staupitz oft geraten: wenn du über die Vorherbestimmung disputieren willst, so fang bei den Wunden Christi an, dann werden alle Gedanken darüber aufhören. (WA1017)”

Zum Schluss noch ein Zitat aus seiner oben genannten Vorlesung über den Römerbrief:

“Wenn also einer unbändig fürchtet, daß er nicht erwählt sei oder um seiner Erwählung willen in Unruhe ist, so soll er in solcher Furcht Dank sagen und sich über seine Furcht freuen, in dem zuversichtlichen Wissen darum, daß Gott ja nicht lügen kann, welcher gesagt hat (Ps. 51, 19): »Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter«, d.h. ein verzweifelter »Geist«, »ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten«. Und daß er »geängstet« ist, spürt er ja selbst. So mag er sich denn beherzt in die Wahrhaftigkeit Gottes versenken, der (solches) verheißt, und sich über das Vorherwissen Gottes hinwegsetzen, und er wird erlöst und erwählt sein.”

 

 

 

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