Created in God’s Image
Eine Anthropologie von Anthony Hoekema

“Was ist der Mensch?”, auch wenn man in religiösen Werken vornehmlich Bücher sucht, die der Frage nachgehen, “Was Gott sei”, lässt sich nicht die Bedeutung der Lehrevom Menschen leugnen. Wie wir diese Frage beantworten, wird weitreichenden Einflüsse auf unser Denken und Leben haben.

Anthony A.Hoekema (1913-1988), langjähriger Dozent für systematische Theologie am Calvin Colege hat in den späten 80ern mit “Created in God’s Image” (z.B. für 19,99$ bei logos erhältlich) ein überraschend leicht zugängliches Werk zu diesem Thema Thema geschrieben.

Das der Mensch als bzw. zum Bilde Gottes geschaffen ist, ist zentraler Ausgangspunkt für Hoekemas Überlegungen. Zunächst arbeitet er hinaus, was es bedeutet, dass der Mensch eine “geschaffene Person/Persönlichkeit” ist: 

“Der Mensch ist aber nicht nur ein Geschöpf, er ist auch eine Person. Und eine Person zu sein bedeutet, eine Art von Unabhängigkeit zu haben – nicht absolut, sondern relativ. Eine Person zu sein bedeutet, in der Lage zu sein, Entscheidungen zu treffen, Ziele zu setzen und sich in Richtung dieser Ziele zu bewegen. Es bedeutet, Freiheit zu besitzen – zumindest in dem Sinne, dass man in der Lage ist, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Der Mensch ist kein Roboter, dessen Weg vollständig von äußeren Kräften bestimmt wird; er verfügt über die Fähigkeit zur Selbstbestimmung und Selbststeuerung. Ein Mensch zu sein bedeutet, um es mit Leonard Verduins malerischem Ausdruck zu sagen, ein “Geschöpf der Optionen” zu sein.” (S.5-6; eigene Übersetzung)

Nach diesen grundlegenden Überlegungen, konzentriert sich Hoekema auf eine ausführliche Analyse von 1 Mo. 1,26-28 (Kap. 3 im Buch). Auch wenn man nicht an diesem Thema interessiert wäre, ist dieses Kapitel ein Fenster in die exegetische Arbeitsweise des Autors und sicher für viele interessant und lehrreich. So arbeitet er heraus, wie die Errettung in Christus immer die Wiederherstellung des Bildes Gottes bedeutet (z.B. Kol 3,9-10; Eph. 4,22-24). Dadurch ergibt sich ein schlüssiges Bild, dass sich durch die ganze Bibel zieht:

“Um dem biblischen Zeugnis treu zu bleiben, muss unser Verständnis des Ebenbildes Gottes also diese beiden Bedeutungen umfassen: (1) Das Bild Gottes als solches ist ein unverlierbarer Aspekt des Menschen, ein Teil seines Wesens und seiner Existenz, etwas, das der Mensch nicht verlieren kann, ohne aufzuhören, Mensch zu sein. (2) Das Ebenbild Gottes ist aber auch als die Gottesebenbildlichkeit zu verstehen, die durch den Sündenfall des Menschen entstellt wurde und im Prozess der Heiligung wiederhergestellt und erneuert wird.” (S.32, eigene Übersetzung)

Darauf aufbauend analysiert der Author wie der “Mensch als Bild Gottes” verstanden wurde. Dafür zitiert er aus dem Werken der Kirchenväter (Irenäus, Augustinus), Calvins, aber auch dreier moderner Theologen (Barth, Brunner, Berkouwer) und bewertet die unterschiedlichen Positionen.

Aus dieser Grundlagenarbeit zieht Hoekema vier Schlussfolgerungen:

  • Wir müssen den Menschen immer im Licht seines Schicksals sehen: Der Mensch ist auch gefallen das Bild Gottes und wir sollten immer eine helfende Hand ausstrecken, dieses wiederherzustellen. 
  • Mann UND Frau sind das Bild Gottes
  • Die Haltung verändert unser evangelistisches Bemühen
  • das vollständige Bild Gottes kann nur in der gesamten Menschheit gesehen werden

Im weiteren Verlauf des Buches war ich vor allem von diesen drei Beobachtungen überrascht:

  • Hoekema ermutigt den christlichen Leser nicht einen allzu pessimisitischen Blick auf sich selbst zu haben, sondern die Wiederherstellung in Christus zu feiern, und die “wirkliche und echte wenn auch nicht vollständige Neuschöpfung” in Christus mehr zu berücksichtigen.
  • Hoekema betrachtet ausführlich das Thema Sünde: Seit dem Sündenfall ist das Bild Gottes “verletzt/gebrochen/zerstört”. Hoekema weißt darauf hin, dass es hier wichtig ist, das gefallene Bild Gottes weder zu stark noch zu wenig zu betonen
  • Im vorletzten Kapitel des Buches untersucht der Autor das, was “er als den ganzen Menschen” bezeichnet: Was ist die Beziehung von Leib und Geist? Sollte man eher von einer Dichotomie oder einer Trichotomie sprechen? Ich war überrascht beim Autor ähnliche Überlegungen, zu finden, die mich selbst schon länger bewegt haben: “Ich bevorzuge es jedoch, vom Menschen als einer psychosomatischen Einheit zu sprechen. Der Vorteil dieses Ausdrucks besteht darin, dass er den beiden Seiten des Menschen voll gerecht wird und gleichzeitig die Einheit des Menschen betont” (S. 217; eigene Übersetzung). Hoekema weißt zurecht darauf hin, dass auch Dichotomie ein Problem werden kann, wenn man zwischen Leib und Seele, zwischen Körper und Geist, zwischen innerem und äußerem Menschen trennt, statt diese beiden Lebenssphären zu unterscheiden.

Im letzten Kapitel geht der Autor auf die Grenzen und Möglichkeiten menschlicher Freiheit ein. Er diskutiert die nicht passende Verwendung von “freiem Willen” und mögliche Alternativen. Sicherlich eher nur eine Zusammenfassung dieses Themas.

Insgesamt ein sehr gutes Grundlagenwerk, dass man lesen sollte, bevor man zu weiterführenden Werken, wie z.B. Truemans “The Rise and Triumph of the Modern Self” greift. Gerade in unserer Zeit, in der man “Mensch sein”, “Mann oder Frau sein” zunehmend selbst zu definieren hat, ist es eine Befreiung festzustellen, dass man Gottes geschaffene Person ist, die seine Herrlichkeit reflektieren sollte und in Christus reflektieren darf, und in aller Ewigkeit reflektieren wird.

 

 

 

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