Buchrezension: … und er schweigt nicht

Francis Schaeffer. … und er schweigt nicht. R. Brockhaus Verlag: Wuppertal, 1991 (1. Taschenbuchauflage). 95 Seiten. Antiquarisch.

Vorsicht mit einem formal-philosophischen Ansatz

Es ist angebracht daran zu erinnern, dass Francis Schaeffer kein Philosoph war. Also gilt es weder auf einem gewissen Vorgehen oder Terminologie zu beharren noch Schaeffer nach strengen philosophischen Vorgaben zu qualifizieren. Schaeffer war Evangelist mit Leib und Seele; sein Erfahrungsschatz aus Tausenden von Gesprächen ist nicht zu unterschätzen. Unter diesen Vorzeichen gehe ich an dieses Buch – Teil der berühmten Trilogie von Schaeffer – heran. Schaeffer hat sich im Vorwort zum Zusammenhang der Trilogie geäussert. „Gott ist keine Illusion“ bildet die Grundlage, die in „Preisgabe der Vernunft“ insbesondere „auf die philosophische von Natur und Gnade übertragen“ wird. Die inhaltliche „Verklammerung“ von „The God Who Is There“ und „He Is There and He Is Not Silent“ (engl. Originaltitel) ist wichtig zu erkennen. Die zentrale Frage des vorliegenden Buches lautet: “Wie können wir etwas wissen, und wie können wir wissen, dass wir etwas wissen?” Es geht also um die Erkenntnistheorie.

Die Strukur

Schaeffer stellt drei Grundfragen der Philosophie auf (9-11), denen er auf den knapp 100 Seiten entlang geht. Der Schwerpunkt bildet wie gesagt die Erkenntnistheorie (rund 50 Seiten).

  1. Das Dasein: Die grundlegende philosophische Frage besteht darin, dass etwas da ist und nicht nichts da ist (so Jean-Paul Sartre).
  2. Der Mensch: Der Mensch ist persönlich, aber endlich, begrenzt, und so reicht er als Integrationspunkt für sich selbst nicht aus.
  3. Das Wissen: Wie kann man überhaupt etwas wissen?

Die metaphysische Notwendigkeit

Die einzige Lösung für das metaphysische Problem der Existenz ist die Tatsache, dass der unendlich-persönliche Gott da ist; und die einzige Lösung für das metaphysische Problem der Existenz von Einheit und Vielfalt ist er deshalb, weil er als Trinität, als dreieiniger Gott, da ist. (24)

Die ethische Notwendigkeit

Der Mensch ist ein grossartiges Wesen, und wir haben vielleicht unsere grösste Möglichkeit zur Evangelisation in unserer Generation verspielt, weil wir nicht klar genug gesagt haben, dass es die Bibel ist, die erklärt, warum der Mensch gross ist. … Das Dilemma des modernen Menschen ist einfach: Er weiss nicht, warum der Mensch irgendeine Bedeutung haben sollte. Er ist ohne Orientierung. Der Mensch bleibt eine Null. Dazu ist unsere Generation verdammt… (10+19)

Der Mensch, von Gott als personales Wesen geschaffen, hat sich selbst verändert. Er ist nicht etwa deshalb in einen unnormalen Zustand geraten, weil Gott ihn verändert hat, sondern weil er sich selbst gewandelt hat. … Folglich ist das Dilemma des Menschen ein moralisches und nicht lediglich ein metaphysisches Problem. … Auf dieser Grundlage können wir auch von sicherem Boden aus das Böse bekämpfen, auch soziale Übel und soziale Ungerechtigkeit. Der moderne Mensch hat keine tragfähige Grundlage für den Kampf gegen das Böse, denn er betrachtet ja den Menschen als normal. (35-37)

Die erkenntnistheoretische Notwendigkeit

Was ist das Allgemeine, das diesen Einzelheiten einen Sinn verleiht? Dies ist der Kern des Problems der Erkenntnistheorie. (41)

Da man heute das Allgemeine ablehnt, ist das moderne Konzept der Ethik soziologisch geprägt: Man fragt statistisch nach der öffentlichen Meinung über Recht und Unrecht, und die Mehrheit entscheidet über moralische Frage. Oder es bildet sich eine Elite heraus, die uns sagt, was recht und was unrecht ist. (42)

Der Mensch hofft, in seinem eigenen Kopf etwas zu finden, weil er nicht mit Sicherheit wissen kann, dass ‚da draussen’ überhaupt etwas ist. An diesem Punkt stehen wir. Ich bin überzeugt, dass die Generationenkluft im Grunde ein erkenntnistheoretischer Graben ist. (49)

Der sichere Grund der christlichen Weltanschauung setzt dagegen:

Die ganze Naturwissenschaft steht und fällt mit der Tatsache, dass Gott eine Welt geschaffen hat, deren verschiedene Teile in Wechselwirkung stehen. … Ein und derselbe vernünftige Gott hat nämlich beides geschaffen, das Erkannte und den Erkennenden, das Objekt und das Subjekt, und er hat beides in Beziehung zueinander gesetzt. (69)

Die Menschen leben in der Wirklichkeit so, als ob es eine Beziehung zwischen Objekt und Subjekt gibt! (71)

Die Kategorien meines Geistes sind so zueinander in Entsprechung gesetzt, dass sie dem, was da ist, gerecht werden, denn ich muss ja darin leben. (77)

Beim Lesen der Bibel stelle ich fest: Wenn der unendlich-persönliche Gott in die Geschichte und den Kosmos hineinwirkt, handelt er auf eine Art, die das bestätigt, was er über die Aussenwelt gesagt hat. … Die Bibel vermittelt eine logisch einsichtige, faktische Offenbarung Gottes, in Normen, die den inneren und den äusseren Menschen betreffen. (78+82)

Zusammenfassung zur Erkenntnistheorie (86)

Die Moderne leidet unter dem Verlust einer wirklichen Subjekt-Objekt-Beziehung;
unter der Unfähigkeit, einen anderen wirklich kennenzulernen;
unter dem Alptraum der Verwischung von Wirklichkeit und Phantasie.

Der Glaube stellt den Menschen wieder her:

  • Subjekt-Objektbeziehung: Ich blicke nach aussen und begreife, warum es eine Beziehung zwischen Objekt und Subjekt gibt.
  • Sicht vom anderen Menschen und deren Sicht von mir: Ich blicke einen anderen Menschen an, vielleicht einen Nicht-Christen, und ich weiss, dass er im Bilde Gottes geschaffen ist.
  • Sicht von der Innenwelt: In dem Masse, in dem Christen dafür sorgen, dass die Normen der Heiligen Schrift den Menschen innerlich wie äusserlich prägen, wird folglich der innere und der äussere Mensch deckungsgleich sein.

Fazit

Die Frage der Erkenntnistheorie ist so aktuell wie 40 Jahre zuvor. Der Skeptizismus ist ungebrochen. Er durchdringt insbesondere die Geisteswissenschaften. Wenn wir Christen uns doch mehr der herrlichen Alternative einer biblischen Weltanschauung bewusst wären! Schaeffer umreisst diese Sicht auf wenigen Seiten. Auch wenn ich in der Zwischenzeit eine Menge anderer Bücher gelesen habe – dieses Buch half mir vor Jahren, den Einstieg zu finden. Ich empfehle dieses Buch wie die ganze Trilogie zur Lektüre.

Han­niel Stre­bel, www.hanniel.ch

1 Kommentar zu „Buchrezension: … und er schweigt nicht“

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