Buchrezension: Bis es Tag wird – Der Tag im Fokus der biblischen Prophetie

Buchrezension: Bis es Tag wird - Der Tag im Fokus der biblischen ProphetieBernd Grunwald, Bis es Tag wird – Der Tag im Fokus der biblischen Prophetie, BoD, Norderstedt, 2015.

Das Buch Bis es Tag wird von Bernd Grunwald ist in zwei Hauptteile gegliedert. Teil 1 beschäftigt sich mit den unterschiedlichen biblischen Begriffen wie bspw. „der Tag des Herrn“, „an jenem Tag“, „der letzte Tag“, „der Tag des Heils“ sowie dem damit zusammenhängenden biblischen Begriff der Nacht – „die Nacht, da niemand wirken kann“. Der zweite Teil geht auf die Rede des Herrn über „seinen Tag“ ein, insbesondere über den Tag des Sohnes des Menschen.

Diesen beiden Teilen stellt der Autor die Definition von „ein Tag“ voran, was grundlegend für alle folgenden Ausführungen ist. „Der biblische Begriff ‚Tag‘ meint entweder einen lichten Tag [helllichter Tag im Unterschied zur Nacht, in der es dunkel ist] oder einen vollen Tag. Der volle Tag besteht aus einer Nacht und einem lichten Tag“ (18). Der Autor folgt dem hebräischen Denken und definiert den Beginn eines vollen Tages als den Abend. Ein voller Tag umfasst demzufolge den ersten Teil, die Nacht, und den lichten Tag als den zweiten Teil eines Tages. Es gilt, den Kontext der jeweiligen Schriftstelle zu beachten, um zu entscheiden, ob der Tag einen vollen (Tag und Nacht) oder lichten Tag (Tag) meint. Diese Unterscheidung ist gewinnbringend beim Verständnis der unterschiedlichen Begriffe dieser Thematik.

2Petrus 1,19 spricht von einer Zeit, in der „der Tag anbricht“. Es handelt sich um den zweiten Teil eines Tages, den lichten Tag, wenn „Christus die gegenwärtige Nacht der Sünde und die geistliche Finsternis auf Erden beendet“ (25). Er ist identisch mit dem Tag, an dem der Menschensohn geoffenbart wird (Lk 17,30-31). In Bezug auf die Nacht, „da niemand wirken kann“ (Jo 9,4), führt der Autor auch die Auslegungen von William MacDonald, John MacArthur und Roger Liebi an, die alternative Sichtweisen vertreten. Bernd Grunwald kommt zu dem Schluss: „Die Nacht, da niemand wirken kann, wird oft missverstanden. Dabei kann es sich nur um die gegenwärtige Nacht der Welt handeln …“ (41).

Der Tag des Heils (2Kor 6,2) ist ein „voller Tag. Seine Nacht begann mit der Himmelfahrt des Herrn. Sein lichter Tag wird mit der Wiederkunft Christi … anbrechen“ (S.55). Dieser Tag ist identisch mit dem Tag des Zorns (Zef 2,2), der einen vollen Tag beschreibt. Für den Überrest Israels wird dieser Tag das Heil, den Feinden Israels den Zorn Gottes bringen (63). Der Tag des Zorns wird auch als „Tag des Gewölks“ (Hes 34,12) bezeichnet (69).

Nach einer gründlichen Erörterung des Begriffs „des Herrn Tag“– oder „der dem Herrn gehörende Tag“, wie man auch übersetzen könnte – in Offenbarung 1,10 fasst der Autor zusammen: „Des Herrn Tag ist weder ein Sabbat noch ein Sonntag. Er ist mit dem großen Tag der biblischen Prophetie, dem Tag des Herrn, identisch“ (81). „Des Herrn Tag“ ist nicht vom „Tag des Herrn“ zu unterscheiden. Letzterer ist der „volle Tag der Prophetie, dessen Nacht bereits in der Antike (nach der Himmelfahrt des Herrn) begann“ (95) und mit dem Ausdruck „an jenem Tag“ (Jes 11,10-11) identisch ist.

Der letzte Tag „umfasst die Auferstehung der Gerechten, das 1000-jährige Reich, das Gericht der Gottlosen am Ende jenes Tages und den damit einhergehenden Weltuntergang“ (119). Im letzten Kapitel des 1. Teils geht der Autor auf den „Morgenstern“ ein, der in den Herzen der Gläubigen aufgeht (2Petr 1,19). Der Morgenstern ist ein „Hinweis auf die Entrückung … auf die Verwandlung der Gläubigen, die mit der Entrückung einhergeht“ (123). Der Autor widerlegt die Auffassung, dass der Morgenstern bereits in den Herzen der Erlösten aufgegangen ist, wie Emil Dönges meint.

Im 2. Teil des Buches beschäftigt sich der Autor detailliert mit der Rede des Herrn über seinen Tag (Lk 17,22-35). Im Unterschied zu Roger Liebi betrachtet der Autor Lukas 17,24-25 nicht als einen Hinweis über das erste und zweite Kommen, sondern als Aussage über die „Herrlichkeit des Menschensohnes an seinem Tag, dem Tag Jesu, dem Jom Jeschua, und um das, was vor seinem Tag noch geschehen muss“ (144). Zwischen „seinem Tag“ und dem „vorher“ liegt keine zeitliche Lücke, sondern „sein Tag schließt sich lückenlos an das Ende seiner Erniedrigung an“ (145).

Der Autor weist bei der Deutung der Schattenbilder, Sintflut und Gericht über Sodom, darauf hin, dass Jesus und Petrus, die diese Schattenbilder aufgreifen, immer zuerst von Noah und dann von Lot sprechen. Sie deutet aus Sicht des Autors an, dass „zunächst die Gemeinde, danach Israel im Zentrum des Heilshandelns Gottes liegt“ (162). Auf der Grundlage der erarbeiteten Auslegung geht der Autor am Schluss des Buches auf wesentliche Interpretationsunterschiede ein in Bezug auf den Tag des Menschensohnes, auf Noah als Bild der Gemeinde oder des gläubigen Überrests Israel, auf die Flucht (Lk 17,31) in Verbindung mit der Trübsalszeit und auf Lukas 17,34-35, eine Schriftstelle, die von Auslegern unterschiedlich als Entrückung oder als Gericht über die Ungläubigen gedeutet wird.

Alle, die es lieben, die Bibel zu studieren, werden ihre Freude beim Lesen des Buches von Bernd Grunwald haben. Er wiederholt nicht nur gängige dispensationalistische Auffassungen, sondern legt eine eigenständige und gut durchdachte Zusammenfassung über die Thematik vor. Ausgehend von der Definition des Begriffs „Tag“ legt der Autor stimmig und in sich geschlossen alle angeführten Bibelstellen aus, die bei allen Diskussionen zum Thema berücksichtigt werden sollten. Wenn unterschiedliche Auffassungen anderer bibeltreuer Autoren besprochen werden, geschieht dies stets in konzilianter Weise, nicht aus Rechthaberei oder Besserwisserei – eine Haltung, die unter Bibeltreuen in manchen Auseinandersetzungen um die Lehre nicht immer anzutreffen ist. Hilfreiche Tabellen (183-184, 189-192) sowie ein Bibelstellenverzeichnis machen das Buch zu einem guten Nachschlagewerk. Besonders hilfreich sind die kurzen Zusammenfassungen am Ende der meisten Kapitel.

Das Buch ist ein wertvoller Beitrag zur Schriftauslegung und schließt eine Lücke in den Publikationen, die sich mit biblischer Prophetie befassen. Es sollte nicht nur als ein Beitrag zur biblischen Lehre gelesen werden, sondern als Aufruf, am prophetischen Wort festzuhalten, „als einem Licht, das an einem dunklen Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen“ (2Petr 1,19).

Georg Walter

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