Ein Gastartikel von Peter Engler
Eigentlich komme ich mehr von der analogen Schiene her. Das gedruckte Wort und der beständige Umgang mit ihm sind mir sehr wichtig. Dennoch habe ich Bibelstudium durch die Jahre hindurch auch digital betrieben. Und ich habe die Logos Bible Software gekauft, um meine digitalen Bibelstudien zu vereinheitlichen.
Aber ich stelle fest: Sie sind immer noch da – die anderen Bibelprogramme, die sich im Lauf der Jahre auf meiner Festplatte angesammelt haben. Einige davon wollte ich endlich loswerden und löschen – konnte mich aber – aus Nostalgie- und anderen Gründen – doch noch nicht so recht dazu durchringen.
Doch was unterscheidet diese Programme von Logos? Und warum kann ich problemlos zugeben, dass Logos mit weitem Abstand vor allen diesen Programmen liegt? Dazu hier etwas mehr. Doch der Reihe nach – dabei das Neueste zuerst:
Logos
Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zum ersten Mal von Logos gehört habe. Es geistern ja die Namen verschiedener Bibelprogramme durchs Netz. So hörte ich irgendwann, irgendwo, irgendwie auch von Logos. Kollegen von mir benutzen es und schwärmen davon.
Den Anstoß, sich näher mit dieser Software zu beschäftigen, gaben mir der Juni 2018 und die Mitteilung, dass meine bisherige Grundsprachensoftware BibleWorks vom Distributor eingestellt wurde. Das war für mich sehr traurig. Es wurde angeboten, noch auf die neueste Version upzudaten – aber ich dachte mir: Jetzt noch einmal ein Update kaufen von einer Software, für die es bald keine Weiterentwicklung und keinen Support mehr gibt? Nein, danke – und so blieb ich bei BibleWorks 9.
Aber dann kam der Tag, an dem mir plötzlich klar wurde: Es war ein Fehler, kein Update mehr zu kaufen. Denn in der neuen Version war beispielsweise der Nestle-Aland 28 enthalten – die aktuelle Version der griechischen Grundsprachenausgabe. Da hat man im Lauf der Zeit verstärkt das schale Gefühl, beim Vorgänger mit einer veralteten Software zu arbeiten …
So habe ich mich an Logos allmählich „herangepirscht“ – die Website ausgiebig studiert, die Basispakete angesehen usw. Auch die Basisversion habe ich mir geholt und ausprobiert, kam aber zu Anfang nicht gut zurecht. Und die Preise der höheren Versionen sind zwar günstig im Vergleich zu Einzelausgaben und -anschaffungen – aber für einen durchschnittlich betuchten User auf den ersten Blick doch ganz schön happig … Dagegen war BibleWorks selbst beim kompletten Neukauf beinahe ein Schnäppchen gewesen!
Aber gefallen hat mir Logos doch – obwohl es noch einen Konkurrenten gab: das Accordance-Programm. Accordance erschien mir auf den ersten Blick übersichtlicher, wenn auch etwas altbackener und vor allem „mac-artiger“. Aber die Preise waren auch nicht günstiger, und die ganze Art der Zusammenstellung der einzelnen Pakete erschien mir etwas eigenartig und unlogisch. Und im Ernst: Wer kauft schon eine „All-in-all-Ausgabe“ für 40 000 Dollar? Da mutet Logos 8 Ultimate, die amerikanische High-End-Ausgabe von Logos, mit lächerlichen rund 20 000 Dollar noch geradezu günstig an … – Ich hatte allerdings auch den Eindruck, es gäbe bei Accordance deutlich weniger deutsche Ressourcen.
Es wurde aber ein Umsteiger-Paket für BibleWorks-Kunden angeboten, das auf den ersten Blick ganz interessant schien. Dann aber entdeckte ich dasselbe bei Logos – und als ich dann noch erfuhr, was das dortige Umsteigerpaket enthält und was es kostet, war es um mich geschehen! So hat nun Logos das gute alte BibleWorks abgelöst …
Was nun das Programm selbst anbelangt – wird man sich da je anders fühlen als jemand, der sich gerade in der Einarbeitungsphase befindet? Ich habe nie im Leben ein Bibelprogramm gesehen, das mit einer derartigen Fülle von Funktionen und Ressourcen daherkam. Schon auf die ersten, noch flüchtigen Blicke ist es – im positiven Sinne natürlich – „erschlagend“. Selbst wenn man nur die mitgelieferte Bibliothek aufmacht, ist das so (auch schon im Crossgrade-Angebot!) – aber der Eindruck entsteht auch dann, wenn man sich das große Angebot an Assistenten und Werkzeugen ansieht. Als ich diesen Artikel schrieb, hatte ich mich gerade mit dem Werkzeug zur Textauslegung (Abschnittsstudie) beschäftigt und probeweise einen kleinen AT-Text damit bearbeitet – und kam mir mit allem, was ich durch die Jahre und Jahrzehnte hindurch an Exegese gemacht habe, sowohl als Prediger wie auch als Lehrer, immer mickriger vor. In 38 Einzelschritten durch die Exegese, unter Einsatz einer Fülle weiterer elektronischer Werkzeuge, wie der Logos-Zeitleiste, dem Perikopenvergleich, dem Kulturelle-Konzepte-Datensatz etc. – da kommt man über kurz oder lang zum „Königin-von-Saba-Zitat“: „Und siehe, nicht die Hälfte hat man mir gesagt“ (1Kön 10,7). Beim Parallelstellenvergleich sollte ich geschlagene 291 Stellen vergleichen und meine Erkenntnisse dazu niederschreiben – da habe ich zugegebenermaßen die Waffen gestreckt. Wer packt das – bei einer normalen Predigtvorbereitung?
Aber dennoch sind diese und weitere Werkzeuge wie das Faktenbuch, der Atlas, die Konkordanz usw. ein kleiner Traum – und locken einen immer tiefer in den Text und in die Recherche …
BibleWorks 9
Für lange Jahre war im Bereich der Arbeit mit den Grundsprachen BibleWorks für mich das Programm der Wahl. Ab Version 5 habe ich jedes zweite Update gekauft (Kostengründe schienen mir nichts Anderes vertretbar zu machen). Bei der Neuanschaffung erschien mir das Programm mit damals über 360 Dollar für meine Verhältnisse geradezu sündhaft teuer – aber ich kaufte es trotzdem und habe es nicht bereut.
Zwar gab es für das Programm leider keine deutsche Oberfläche – und die Bedienung war manchmal wirklich kryptisch. Aber im Lauf der Zeit kam ich wenigstens etwas hinein. Genutzt habe ich es zum Nachschlagen im griechischen und hebräischen Grundtext und zur Übernahme solchen Textes in manche meiner Predigt- und Lehrunterlagen. Auch für statistische Zwecke und einfache morphologische Abfragen habe ich es gern verwendet: Wie oft kommt ein bestimmtes griechisches oder hebräisches Wort im jeweiligen Grundtext vor – und in welchen Formen? Auch der „Verse report“ leistete mir immer wieder einmal gute Dienste. Und eins der Highlights des Programms war und ist bis heute die „Textbox“, die man in jeder beliebigen Textverarbeitung öffnen und mit der man ganz einfach Text aus den jeweils verwendeten Übersetzungen einfügen kann. – Doch siehe da, Logos bietet das alles (fast) genauso – und mehr …
Bibel digital
Das sind die Programme der Deutschen Bibelgesellschaft – von denen sich im Lauf der Jahre auch etliche auf meiner Festplatte angesammelt haben: der Nestle-Aland, die Biblia Hebraica Stuttgartensia, die Septuaginta und die Vulgata, die Gute Nachricht, Luther 84, Luther 2017, und ein – meinem Eindruck nach – hervorragender, elektronischer Bibelatlas, der im Unterschied zu manchen englischen Programmen Karten mit deutscher Beschriftung bietet – ähnlich wie der schon vergriffene PC Bibelatlas des Brockhaus-Verlages. Ganz früher kam bei mir die ältere Version eines englischen oder amerikanischen Atlanten zum Einsatz, die sich auch PC Bible Atlas nannte und mit der ich mir deutsche Kartenbeschriftungen in vielen Stunden mühseliger Arbeit selbst erstellt habe (das konnte man mit diesem Programm tun – die Ortsangaben etc. waren editierbar).
Nun aber habe ich entdeckt, dass auch in Logos 8 viele Karten mit deutscher Beschriftung zur Verfügung stehen, und das sehr ausführlich für viele biblische Personen oder Ereignisse – was mich natürlich freut, weil es andere Programme im Grunde überflüssig macht.
Die Programme der deutschen Bibelstiftung sind ganz in Ordnung – außer, dass die Dinge etwas langsam starten und – zumindest bei mir – nach Aufräumaktionen auf dem PC durch ein elektronisches Putzprogramm manchmal Programm- oder Datendateien aus just diesen Programmen überraschenderweise aus dem Installationsordner verschwanden. Mit der Zeit wurde das lästig und ärgerlich. Na ja, wird mir mancher sagen – selber schuld. (Bei den Putzprogrammen bin ich mittlerweile zu hauseigenen Programmen meines Betriebssystems und PC-Herstellers zurückgekehrt.) Und es hat wohl zugegebenermaßen nichts mit den Programmen der Deutschen Bibelgesellschaft zu tun …
Bei den Grundsprachenprogrammen (wie auch sonst) kann man sehr gut in den Texten suchen, und es sind auch einfache statistische Abfragen möglich – aber nach meinem Eindruck enden hier die Möglichkeiten auch schon. Größere morphologische Analysen können kaum durchgeführt werden – jedenfalls nicht so detailliert wie in BibleWorks oder Logos. So vermisste ich manches mit der Zeit auch hier.
E-Sword
E-Sword war für mich seinerzeit eine Entdeckung. Ein englischsprachiges Bibelprogramm, das man aber auf eine deutsche Oberfläche umstellen konnte – ebenfalls mit einer Fülle interessanter Funktionen und Bibliotheksinhalten – das war schon begeisternd. Und das Beste war, dass es nichts kostete (außer einer optionalen Spende). Ich habe hier auch bei etlichen Versionen „upgedated“ und immer wieder einmal gern mit dem Programm gearbeitet – hauptsächlich wegen der Ressourcenfülle im Kommentarbereich. Was einem dort schon nur auf der hauseigenen Website zum Download angeboten wird, ist beeindruckend – und noch mehr sind es die Ressourcenquellen eStudySource.com und BibleSupport.com …
Der große „Haken“ des Programms sind aber für mich die deutschen Bibelausgaben und die Grundsprachenausgaben – es gibt keine wirklich aktuellen. Und mit der Zeit möchte man dann doch auf eine modernere Ausgabe zugreifen können als auf Luther 1912, Elberfelder 1905 und Schlachter 1951. Da vermögen auch die NEÜ und die Schlachter 2000 nicht wirklich etwas zu retten. Und „umstrittene“ Grundtextausgaben wie der Textus receptus oder das Griechische NT nach Westcott und Hort machen, so ehrwürdig sie auch sein mögen, da auch nicht unbedingt Freude.
Aber manche der alten Bibelkommentare – von Barnes, Clarke und Gill; der komplette Matthew Henry; dazu der Biblical Illustrator, der Pulpit Commentary, der Expositor’s Bible Commentary und viele andere – erscheinen mir oft gerade so wertvoll wie modernere Kommentare, auch wenn sicher nicht die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt sind. Aber zum Glück hängt das Verständnis vieler Bibeltexte nicht ausdrücklich daran, und ich bin oft ebenso erstaunt wie erfreut, was die „Altvorderen“ an geistlicher Erkenntnis aus den Bibeltexten schöpften.
Der Nachteil: Ich kann mit den schönen Schätzen dieser geistlichen Väter nicht wirklich in Logos arbeiten. Text kopieren und übernehmen geht schon – aber es fehlen natürlich sämtliche Verlinkungen und sonstigen Hinweise. Deswegen werden viele dieser Werke im Logos Store auch angeboten – wobei Qualität natürlich wieder ihren Preis hat. Dennoch werde ich mir wohl das eine oder Andere anschaffen – schon deshalb, damit meine Kommentar-, Dogmatik- oder Illustrationsabteilung in „Logos“ nicht so leer aussieht, wenn der „Bibelstellenassistent“ oder ähnliche Arbeitshilfen aufgerufen werden …
Bible Workshop 4.4
Dies war seinerzeit vermutlich das überhaupt erste elektronische Bibelprogramm, mit dem ich gearbeitet habe, und ich halte es nach wie vor für etwas vom Besten, was wir im deutschen Sprachraum haben – soweit ich darüber den Überblick habe. Über alles hin gesehen habe ich mit dem BibleWorkshop 4.4 über die Jahre und Jahrzehnte wohl am meisten gearbeitet. Ich finde ihn bis heute benutzerfreundlich und mit vielen sinnvollen Ressourcen gut erweiterbar. Dazu gehören auch relativ aktuelle Bibelausgaben. Im Grundsprachenbereich ist das natürlich wieder anders – aber das Programm ist vielleicht auch nicht in erster Linie für Akademiker konzipiert.
BibleWorkshop habe ich unzählige Male für Textabfragen und Textübernahmen verwendet, auch sehr viele Übersetzungsvergleiche mit ihm durchgeführt und mir im Bibellexikon viele Informationen geholt. Ähnlich wie bei Logos lassen sich hier auch Arbeitsbereiche einrichten („Layouts“), was gelegentlich sehr praktisch ist. Im Lauf der Zeit habe ich mir im Kommentarbereich den fünfbändigen Walvoord-Kommentar dazugeholt, ebenso die MacArthur–Studienbibel mit ihren kommentarartigen Anmerkungen, und das Kettenverzeichnis meiner geliebten Thompson–Studienbibel. Hätte ich noch aktuelle Grundsprachenausgaben gehabt und ein paar andere Sachen, hätte ich glatt bei BibleWorkshop 4.4 bleiben können – aber leider …
Mein Versuch, auf den Nachfolger BibleWorkshop 5 upzudaten, glich eher einem Betriebsunfall, wie auch das gesamte Programm – ich vermisste damals viel von gewohntem Komfort und vorheriger Funktionalität – und habe dieses Unternehmen daher nicht weitergeführt.
Clever
Das CLV-Bibelprogramm (auch erhältlich bei cbuch.de) ist ein sehr einfaches, zwar mit einer Reihe nützlicher Funktionen und Beigaben ausgestattet, aber für „unsereinen als Theologen“ bietet es doch zu wenig. Punkten kann es für mich aber doch mit dem kompletten Kommentar von William MacDonald zum Alten und Neuen Testament (in meinem BW 4.4 ist leider nur das Neue Testament enthalten) und mit der elektronischen Komplettausgabe der sogenannten Handreichungen, einer durchaus auch noch heute lesenswerten Zeitschrift der Brüderbewegung aus den Jahren 1919 bis 1938, die lange Jahre in einer großen und schweren Schuber-Edition ihr Dasein in meiner Bibliothek fristete, bis ich sie eines Tages aus Platzgründen abschaffen musste. Dennoch weiß ich nicht, ob ich dieses Programm auf Dauer bei mir behalten werde.
Fazit
Es ist wie so oft im Leben: Jedes Ding – und das heißt in diesem Fall: jedes Programm – hat sein Für und Wider. Jedes hat etwas, was das andere nicht hat oder kann. Als User liebt man das eine Programm – aber das andere auch, oft wegen bestimmter Ressourcen oder einzelner Funktionen. (Von den analogen Quellen, über die man verfügt, noch ganz zu schweigen!) Aber wenn man am PC sitzt und eine Predigt oder Lehrstunde ausarbeitet, ist es doch ganz angenehm, wenn man nicht ständig aufstehen und umständlich in einem Buch nachschlagen muss.
Und klar ist auch: Logos dürfte unbestritten der „Klassenprimus“ unter den Bibelprogrammen sein. Man könnte das vergleichen mit manchen Haushaltsgeräten – und zwar gleich doppelt:
- Natürlich kann ich mir die Haushaltsmaschine von der Supermarktkette zulegen und werde damit beim Kochen bestimmt auch ordentliche Ergebnisse erzielen. Aber der deutlich teurere „Branchenprimus“ spielt qualitativ eben doch noch mal in einer anderen Liga. So ist es mit Logos 8 auch.
- Wahr ist aber ebenso: Fast alle Programme können, ähnlich wie viele Haushaltsgeräte, viel mehr, als „Otto Normalverbraucher“ jemals nutzen wird oder verarbeiten kann. Hier muss man für sich selbst immer wieder neu den rechten Weg finden und manchmal – nach der Buße für manche Maßlosigkeit – auch wieder zurückfinden zum Wesentlichen und Einfachen.
Dennoch wird Logos mein „Exit-Programm“ werden, so wie für manchen Uhrenliebhaber die Anschaffung einer Patek Philippe zur „Exit-Watch“. Das, was ich bisher davon gesehen und verstanden habe, deutet jedenfalls stark in diese Richtung.
Über den Autor: Peter Engler ist Prediger einer ostbayerischen Freikirche und war vorher lange Jahre als Lehrer im Dienst einer süddeutschen Bibelschule und als Prediger im Gemeindedienst einer Schweizer Freikirche. Er lebt und arbeitet mit seiner Frau Margrit in Regensburg. Er ist schon lange ein leidenschaftlicher Leser, Schreiber und “Bibelstudierer” und freut sich, etwas zur Thematik beisteuern zu können.