Von Büchern und Unbüchern

Immer wieder kann man nur staunen über grausige Predigten in teilweise gut gefüllten Kirchensälen. Wir Evangelikale müssen immer wieder mit magerer Speise zurechtkommen, weil der Prediger den Auftrag Christi vergisst: “Gebt Ihr Ihnen zu essen!”. Doch auch der Büchermarkt ist nicht unbedingt mit zu viel Ehre ausgezeichnet, was die Qualität zahlreicher christlicher Werke angeht.

Immer wieder ärgere ich mich über mangelhafte christliche Literatur, die trotzdem gekauft und gelesen wird, wobei ich mich manchmal frage, ob Menschen die sagen, lesen wäre langweilig und wenig erbauend, genau solche Bücher hatten, und eigentlich meinen, das Lesen bestimmter Bücher wäre langweilig und unnötig. Denn das ist wirklich, dass auf dem sowieso dünn besiedelten christlichen Büchermarkt noch ein Haufen leerer Hopfen gedeiht: Zum Lesen nicht zu empfehlen, zum Verbrennen ein zu geringer Heizwert.

Ich möchte in diesem Artikel einige Kriterien vorstellen, die ein Buch auf der Lesenswertskala deutlich nach unten sinken lassen. Außerdem hoffe ich dadurch, Kriterien herausarbeiten zu können, nach denen man Autoren und ihre Literatur bewerten kann.

Kein Schriftverweis

Ich habe Mühe mit Werken, die auf die Berufung auf die Schrift verzichten. Da werden Wege zu einem geistlicheren Leben vorgestellt, Wachstum im Gebet besprochen, Schritte der Nachfolge diskutiert. Wie man jedoch die vorgestellten Thesen begründen möchte, darauf verzichtet man. Die Autorität eines Autors allein mag in wissenschaftlichen und technischen Fragen genügen, für geistliche Angelegenheiten, mag es der Papst höchstpersönlich sein, der da spricht, ist das Autorität nicht genug.

Als junger Christ habe ich einige Mühe gehabt, dass viel gelobte Buch “Kraft durch Gebet” von Bounds zu lesen, da er kaum eine seiner Thesen auf der Schrift aufgebaut hat. Viel frommer Text, viel konservativer Inhalt, aber kein Fundament in der Schrift. Ich habe mit Freude gelesen, dass auch das Timotheus-Magazin dieses Problem in ihrem Heft angesprochen hat (Timotheus Magazin Nr. 22 zum Thema: Fasten & Beten). Wohlgemerkt, ich meine keine Zeugnisse oder Bekehrungsgeschichten, die man auch nicht mit Bibelzitaten unterlegen kann. Sondern Lehrfragen, wo ich als Laie von einem Lehrer was lernen möchte.

Nur, wie soll ich lernen können, wenn ich nicht erkennen kann, dass auch die höchste aller Autoritäten das aus der Schrift gelernt hat. Neben Bounds habe ich diese Erfahrung auch mit einigen (aber nicht allen!) Werken von Modersohn gemacht. Hier sehe ich die Stärke der Puritaner. Ihre Werke sind oft schwerfällig, manchmal unnötig detailliert, aber Lehraussagen führten diese generell aus der Schrift heraus

Frommes Allerlei

Ich glaube jeder kennt es aus manchen Gottesdiensten:

Liebe Geschwister, wir wollen hier über die Gnade Gottes nachdenken. Nein es geht nicht um Gnade von Menschen, oder um Gnade an sich, sondern um die Gnade Gottes. Ein ganz wichtiges Thema: Gottes Gnade, kein Mensch kann an diesem Thema vorbeigehen. Es ist doch wirklich nur Gnade, dass wir uns überhaupt darüber Gedanken machen können, wie gütig ist Gott, dass er uns den Verstand gab, dass wir über Ihn nachdenken können. Ja nicht nur über Ihn, sondern auch über seine Eigenschaften, und nicht nur über Liebe und Treue, sondern über Gnade. Ja Gottes Gnade ist so groß, viel größer als wir es begreifen können. Gottes Gnade, da kann jeder sich bestimmt an den Tag erinnern, als er sich zur Gottes Gnade wandte und diese ihn frei machte von Sünde. War Gott da nicht so gut, und wir so schlecht? Was bedeutet aber Gottes Gnade? Dazu möchte ich ein Zitat aus dem Lexikon vorlesen …

Und so weiter und so fort, ohne jedes Aufhören, bis es keiner mehr hören und ertragen kann, und auch die älteste Oma in der Versammlung gelangweilt ist. Ach ja, übrigens vorzutragen in A-mol, die bekannte kleine Terz tiefer, als man sonst spricht, und jeder bemerkt schon, dass man bei der nächsten Predigt Gnade mit Liebe ersetzt, später mit Treue, später mit Güte und so hat man in einer Predigt gleich zehn. Ich bin schockiert, wie viele Bücher unglaublich langweilig und un-pointiert geschrieben sind.

Zwar ist keine Irrlehre zu finden, und man kann zu allem Amen sagen, aber das wozu man Amen sagt, war die zweihundert Seiten die man gelesen hat, einfach nicht wert. Viel allgemeines Blabla, dass sich jeder fleißige Besucher einer Kinderstunde bereits aus dem Ärmel schütteln könnte. Zwar kenne ich oben beschriebene Situation vor allem aus Predigten, doch gibt es auch eine Masse Bücher, die da von ihren Predigern gelernt haben. Ich denke da an manch einen Bibelkommentar, der jegliche Anwendung unterlässt.

Ich erinnere mich, dass ich in der Wuppertaler Studienbibel die vollständige Auslegung zu Genesis gelesen habe, und mich nicht mehr auch nur an eine hilfreiche Auslegung erinnern kann. Viel Weihrauch und frommer Dunst, aber kaum etwas, was erbaut. Das Lesen einiger Seiten im Matthew-Henry Kommentar gibt dir deutlich mehr Material auf gleicher Länge mit für deinen geistlichen Kampf.

Liebe Geschwister, wenn es denn um irdische Fragen ginge, würde ich schweigen, denn ob wir uns langweilen oder nicht, so würden wir nur einige Stunden verlieren. Da es aber um die Ewigkeit geht, um einen geistlichen Kampf, in dem es gilt, gewappnet zu sein, in dem jede Erbauung recht ist und gelegen ist, werden wir so selten mit fester Speise gespeist.

Dabei sehe ich die Not in meinem Leben, wie auch in dem Leben vieler junger Menschen, dass Bedarf nach Unterweisung besteht, aber kaum einer da ist, sinnvoll und hilfreich zu unterweisen. Schließlich halte ich noch daran: Keine Lehre zu lehren ist auch eine Irrlehre, denn gesunde Lehre erbaut, ermutigt und regt zur Anbetung an.

Wer nie langweilig war, wer sehr schnell zum Punkt kam, das war z. B. Luther. In kurzen Schriften hat er Themen behandelt, und zwar pointiert, interessant in einer lebendigen Sprache. Er hütete sich, fast schon auf eine grausame Weise, nicht davor Wahrheiten zu verstecken oder geschickt zu verkleiden. Solche Autoren fehlen uns heute.

Humanistisches Geplärr

Besonders allergisch bin ich auf Bücher, die ich mit oben genannter Überschrift qualifiziere. Was ich damit meine, ist, dass man z. B. ein Buch über Fleiß schreiben möchte, und als Vorbilder für Fleiß irgendwelche Schauspieler, Sportler etc. aufführt, die doch zum Größten Teil keine Christen waren. Was hat Christus zu schaffen mit Belial? Ähnlich ist es auch, wenn man das Wohlbefinden des Menschen in den Vordergrund stellt, so als ginge es nicht um die Ehre Gottes, sondern um den kleinen stinkenden Menschen.

Hier klar zu sehen, verdanke ich den Reformatoren: Luther war allergisch auf Aussagen wie “gesunder Menschenverstand” und “es dient dazu, dass die Menschen friedlicher zusammen leben”. Vollkommen zurecht, als Christ muss ich lernen, dass nicht ich im Vordergrund stehe, sondern das Werk Christi. Mag ich ein Verlierer sein, wenn doch nur Christus ein Gewinner sein kann. Ohne bestimmte Autoren besonders kritisieren zu wollen, sind es oft vermeintlich “calvinistische” amerikanische Autoren, die genau in das Fettnäpfchen des Humanismus treten. Ich erinnere mich an ein Buch, dass ins Rennen ging, Menschen in ihren Leiden zu trösten. Ein sehr ausführlich besprochenes Ereignis war dabei der Besuch des Autors (ein altehrwürdiger Pastor) bei einem Baseballspiel. Während des Spiels zog ein Schneesturm auf, und die ganze Verzweifelung lag auf seinen Schultern, als er nach dem Spiel erst das Auto nicht finden, und sich dann auch das Schloss nicht öffnen ließ. Sollte sowas trösten können?

Unnötige Trivialitäten

Luther schrieb zu Erasmus von Rotterdam, dass er nicht über den freien Willen schreiben sollte, wenn er das Thema für unwichtig hält. Zu Themen die unwichtig sind, und zu denen keine klare Meinung möglich ist, solle man auch keine feste Meinung erstreben. Ich denke, Luther hatte recht. Ich bin geradezu allergisch auf Bücher, die Themen wie Organspende, Feuerbestattungen oder Kleidungssitten so lange breit treten und als ein äußerst wichtiges Thema darstellen, in welchem doch jeder Christ eine feste Meinung zu haben habe.

Glaube ich nicht, denn es ist noch kein Mensch dafür in die Hölle gekommen, dass er seine Nieren gespendet hat, aber es sind viele Menschen in die Hölle gekommen, dass Sie nicht an Christus, als ihren Erlöser geglaubt haben. Selbst mit Eheratgebern, Erziehungsratgebern und sonstigen der vielfach vorhanden Ratgebern habe ich so meine Mühe, möchte aber nicht ausschließen, dass dies jemandem erbaulich sein kann. Für meine Ehe, hat mir aber das Buch Seid heilig! von Ryle viel mehr geholfen. Denn im Blick auf Jesus werden wir geheilt, auch unsere womöglich kranken Ehen werden niemals durch Ratgeber, sondern nur durch Christus geheilt werden können.

Ich gestehe ein, dass ich in diesem Punkt, nicht immer klar sagen könnte, wo genau die Grenze zwischen Trivialitäten und Notwendigkeiten liegt, aber ich könnte auch nicht sagen, dass ich alle Bücher die ich für hilfreich und sinnvoll halte, bereits gelesen habe. Es ist immer besser Gold zu sammeln als Eisen.

Schlimmer ist es manchmal, wenn man wichtige Fragen mit trivialen Argumenten begründet. Vor mir liegt ein Buch mit dem Titel “evangelical ethics”. Der Autor führt bzgl. Kriegsführung (und er ist kein Pazifist) unter anderem diese Argumente vor:

  1. Der Haushalt für das Militär koste gar nicht so viel wie oft behauptet, gäbe doch jeder durchschnittliche Amerikaner für Kino und Musik mehr als die Airforce für alle ihre Flugzeuge aus.
  2. Der freie Westen muss geschützt werden! Wo wären wir wohl, wenn nicht so viele Christen den freien Westen nicht vor den Kommunisten geschützt hätten (Die Frage, wer uns denn nun vor Trump schützen soll, will der Autor nicht beantworten.).
  3. Schließlich sollen die ganzen Pazifisten sich nicht nur auf die Leidenszeit Christi berufen. Denn Christi Geschichte hat mit seiner wehrlosen Kreuzigung nicht aufgehört, sondern geht mit Auferstehung und Gericht weiter. So sollen auch wir Christen nicht nur leiden sondern Gericht üben.
  4. Man könne indem man einen Verbrecher tötet, ihn vor mehr Schuld und Verantwortung vor dem himmlischen Gericht bewahren.

Argument 4 ist noch das, welchem ich am meisten Sympathie abgewinnen kann. Wie man aber zu so einem durchaus relevanten Thema, derart plumpe, verstandesmäßige und menschliche Argumente aufführen kann, darüber kann ich nur den Kopf schütten. Das soll mich als überzeugten Pazifisten beeinflussen?

Intellektuelles Gehabe

Schließlich habe ich auch mit christlichen Büchern Mühe, die vor allem das Intellekt ansprechen. Damit meine ich nicht Bücher über Sprache, Kultur, oder Kommentare zur Bibel oder Lexika der verschiedenen Art. All diese Bücher haben wir nötig, um die Schrift besser verstehen zu können und Bücher zur Bibel sind geradezu die hilfreichsten überhaupt. Denn jeder Vers, denn wir besser verstehen ist bereits eine deutliche Bereicherung.

Aber es gibt neben diesen Büchern, auch Werke die in erster Linie den Verstand des Christen ansprechen wollen. Als ginge es Gott nie um den ganzen Menschen, nie um Leib, Seele und Geist. Als zählten für die Schrift nicht Seele und “HERZ” mehr als der Verstand. Ich habe immer wieder Freude beim Lesen intellektuell anspruchsvoller Werke, aber oft bleibt die Seele leer, oft bleibt die Frage, was man mit diesem Wissen zusätzlich zu unternehmen habe. Da diese Bücher aber eher selten in christlichen Reihen sind, geht von Ihnen vielleicht auch die geringste Gefahr aus. Die größte Gefahr hier ist wohl: Das Wissen bläst auf.

Die Kriterien, die ich für mich aufstelle sind also gar nicht so zahlreich, sondern die:

  • Verwurzelung in der Schrift
  • Lebendiges, pointiertes Werk, kein Seitenfüller
  • Ehre Gottes  und Christus im Zentrum
  • Relevantes Thema
  • Spricht Seele an, leitet zum Gebet, schenkt Trost

Es ist möglich, dass ein gutes Buch auch langweilig wird, dass mag ich hinnehmen, aber wenn es auch noch anfängt zu menscheln, dann klappe ich es zu.

1 Kommentar zu „Von Büchern und Unbüchern“

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